Erholung zwischen Kühen und Munitionsresten

Ein neues „Wegekonzept“ will den Kölnerinnen und Kölnern die Wahner Heide erschließen. Über 130 Kilometer Wanderwege führen durch ein 5.000 Hektar großes Naturschutzgebiet. Auf dem ehemaligen Truppenübungsgelände sollen Naturschutz und Naherholung in Einklang gebracht werden

Von Susanne Gannott

An den großen Pfützen mitten auf dem Wanderweg werden die meisten Wanderer wohl einfach vorbeilaufen. Dabei gibt es darin durchaus etwas zu sehen: Am seichten Uferrand tummeln sich unzählige schwarze Kreuzkröten-Kaulquappen und winzige Kiemenfuß-Krebse. „Viele ‚Attraktionen‘ in der Wahner Heide sind sehr klein“, sagt der Biologe Moritz Pechau und stapft mit seinen grünen Gummistiefeln mitten durch den Tümpel.

Anlass für die kleine Lehrstunde in Sachen vom Aussterben bedrohter Tierarten ist das neue Wegekonzept für die Wahner Heide, das der Kölner Stadtrat am 20. Juli abgesegnet hat – in Absprache mit den Nachbarkreisen Rhein-Berg und Rhein-Sieg, auf denen ein Großteil der Heide liegt. Denn bislang durften Normalsterbliche die Heide eigentlich nur an Wochenenden und Feiertagen begehen, hatte doch seit Kriegsende die belgische Armee den Großteil der Heide als Truppenübungsplatz reserviert.

Nun sind die Militärs allerdings im Februar dieses Jahres abgezogen. Seitdem ist die Heide als „Bundeswald“ wieder für jedermann und zu jeder Zeit zugänglich, erklärt Jörg Pape vom Bundesforstamt Wahner Heide. Weil sie aber gleichzeitig eines der größten Naturschutzgebiete der Region sei, müsse man jetzt versuchen, die Interessen von Erholungssuchenden und Naturschützern übereinzubringen, ergänzt Joachim Bauer vom Kölner Grünflächenamt.

So können Besucher jetzt auf 130 Kilometer Rundwegen wandern oder die 30 Kilometer langen Reitwege benutzen. Die Wege sind mit Schildern und rot gestrichenen Pfosten markiert, erklärt Bauer. Außerdem würden Übersichtskarten an den Parkplätzen aufgestellt. Allerdings gelte auch weiterhin, dass die Heide nur auf den Wegen erkundet werden darf und für Hunde Leinenzwang gilt, betont er.

Denn zum einen bestehe weiterhin „Lebensgefahr“ wegen der Kampfmittelreste aus Vorkriegszeiten, die überall im Gelände verstreut seien. Aber auch für die über 700 seltenen Tiere und Pflanzen müsste das Gebiet ein geschütztes Refugium bleiben, erklärt Biologe Pechau. „Trotzdem sind Spaziergänger herzlich willkommen.“ Für die gebe es übrigens nicht nurKaulquappen und Krebse zu entdecken, die Heidelandschaft habe auch „Spektakuläres“ zu bieten. Etwa frei lebendes Rotwild inklusive „kapitaler Hirsche“. Aber auch die blühenden Orchideenwiesen im Juni oder die Heideblüte im August seien „wunderschön“.

Und dann gibt es im Norden der Heide, im so genannten Geisterbusch, auch die Ziegen und Kühe, die die „Arbeitsgemeinschaft Landschaftspflege mit alten Nutztierrassen“ (ALAN) in der Heide weiden lässt. Sie sorgen dafür, dass die Kulturlandschaft nicht verbuscht und wieder zu Wald wird. Etwa 50 Glan-Rinder treiben Pechau und sein Kollege Stephan Mohr, die beide ihren eigenen Biobauernhof betreiben, von Mai bis Oktober über wechselnde Wiesen. Die hellbraune Rinderart sei ebenfalls eine fast ausgestorbene Rasse, erklärt Pechau. Früher sei sie allerdings in Hunsrück und Eifel das dominante Nutztier gewesen und hervorragend dazu geeignet, mit den harten Gräsern der Heide auszukommen. Und was die Rindviecher stehen lassen, wird anschließend von den 350 Ziegen weggefressen, die Thomas Stumpf von seinem Ziegenhof aus jeden Wochentag quer durch das Gelände treibt.

Von den Produkten seiner Tiere – Wurst, Milch und Käse – kann der Biobauer allerdings ebenso wenig leben wie seine ALAN-Kollegen Pechau und Mohr von der Vermarktung ihres Rindfleisches. Zu unwirtschaftlich sei heutzutage diese Art der extensiven Landwirtschaft ohne Düngung und Kraftfutter auf „mageren“ Heidewiesen, erklärt Stumpf. Was Naturschützer bedauern, stimmt ihn daher froh: Dass mitten in der Heide der Köln-Bonner Flughafen liegt. Denn der hat sich vertraglich verpflichtet, für jeden Quadratmeter Fläche, der durch Ausbau versiegelt wird, vier Quadratmeter Heide „aufzuwerten“, sprich: von Wald wieder in Heide zu „verwandeln“. Denn die wurde im Laufe der Zeit durch artenarme Wälder verdrängt, so dass viele seltene Tier- und Pflanzenarten ihre biologische Nische verloren (s. Kasten). Daher bezahlt die Flughafengesellschaft seit 1997 pro Jahr rund 500.000 Euro an die ALAN-Bauern, die damit Wald „freistellen“ und mit ihren Herden beweiden und kurz halten.

Freilich wären Schutz und Erhalt der Heide eigentlich Aufgabe der öffentlichen Hand als Eigentümer – zumal weite Teile unter Naturschutz stehen und demnächst das ganze Gebiet zum FFH-Gebiet (Flora-Fauna-Habitat) nach EU-Norm werden soll. Trotzdem sei es „utopisch“ zu glauben, Stadt, Land oder Bund könnten sich derzeit den Schutz der Heide leisten, sagt Jörg Pape vom Bundesforstamt. Die Kritik mancher Naturschützer an dem Deal mit dem Flughafen kann er daher nicht nachvollziehen. „Sonst hätten wir zwar schöne Pläne, aber die Umsetzung hinkte weit hinterher.“ Der Biologe und Biobauer Pechau legt dagegen den Finger in die Wunde: „Natürlich wird die Gesamtfläche der Heide immer kleiner durch die Versiegelung um den Flughafen – das ist der Pferdefuß an dem Konzept.“