Hör mal, wer da klingelt

Die Kombo „De Randfichten“ schafft zurzeit die Musikbranche: mit ihrem Klingelton-Hit „ Dr Holzmichel“

Keine Frage, wir haben es hier mit einem reichlich exzentrischen Phänomen zu tun. Was schon sein Name verrät: De Randfichten. Nicht in der Mitte also, wo man den Wald vor lauter Bäumen kaum sieht, verorten sich die Nadelgewächse aus dem Erzgebirge, sondern am Rande des in diesen Tagen von MP3-Downloads und schwindender Definitionsmacht von Popmusik im Generellen bedrohten Popmärchenwalds. Dort haben De Randfichten einen Hit geschrieben. Und dafür schon mehrere Platinplatten kassiert. Und Einladungen in Bundesligastadien.

„Lebt den dr alte Holzmichel noch?“ hält sich seit Wochen in den Top 5 der deutschen Single-Charts. Noch erfolgreicher ist das Lied mit dem überschaubaren Narrativ (Strophe: „Lebt den dr alte Holzmichel noch?“ Refrain: „Ja, er lebt noch“) auf dem derzeit einzigen prosperierenden Markt für popmusikalische Erzählungen: dem für Klingeltöne. Neben dem aus Rumänien importierten Sommerhit „Dragostea Din Tei“ ist der „Holzmichel“ der meistverkaufte Klingelton der Saison. Ob’s an Dreivierteltakt und Knopfharmonika liegt? Oder einfach an der Differenz, die die jungen Männer aus Johanngeorgenstadt kommunizieren? Die so wenig P!O!P! sind. Und doch so erfolgreich in einer Welt, die solche Ausrufezeichen einmal für sich erkoren hat.

Genau das wird langsam zum Indiz jener großen Krise, in der das Musikfernsehen dieser Tage steckt. Einerseits muss der „Holzmichel“ natürlich draußen bleiben. Schon weil gerade in Zeiten der Depression die glamouröse Oberfläche gewahrt werden muss. Und in der würden die drei Randfichten mit ihren Lederhosen und Erzgebirge-Aue-Schals vermutlich empfindliche Kratzer hinterlassen. Andererseits ist der, nun ja, volkstümliche Schlager längst Stütze des Programms. Als, erraten, Werbejingle für den dazugehörigen Klingelton.

Angefangen hat alles bezeichnenderweise mit einer Sportart, die Trend zu nennen eine glatte Lüge wäre. „Lebt denn dr alte Holzmichel noch?“ war die inoffizielle Hymne der diesjährigen Biathlon-WM in Oberhof. Wurde zwischen Skifahren und Schießen immer wieder gesungen, nein gegrölt. Einem weiteren Lied der Randfichten – „Steig ei, wir fahrn in die Tschechei“ zum Beispiel – wird solches Glück hingegen kaum widerfahren. Denn darin gleichen sich Rand und Mitte des Popuniversums: One-Hit-Wonder finden sich hier wie dort. CLEMENS NIEDENTHAL