Der Neue braucht Bedenkzeit

Schills Büroleiter Dirk Nockemann soll neuer Innensenator in Hamburg werden. Der Geschasste macht erst mal Urlaub. Derweil zeigt Justizsenator Kusch Journalisten seine Wohnung – um zu beweisen, dass er nicht mit Bürgermeister Beust zusammenlebt

aus Hamburg PETER AHRENS

Schon zwei Tage nach dem Rauswurf Ronald Schills sind die Aufräumarbeiten im Hamburger Rathaus fast abgeschlossen. Ein neuer Innensenator steht Gewehr bei Fuß. Der bisherige Büroleiter Schills und stellvertretende Schill-Fraktionschef in der Bürgerschaft, Dirk Nockemann, hatte sich zwar noch bis zum Abend Bedenkzeit ausbedungen. Doch bis Redaktionsschluss zweifelte niemand daran, dass der neue Senator Nockemann heißen wird. Die Schill-Fraktion hatte ihn am Mittwochabend zu ihrem Kanddiaten gekürt und sich damit gegen den zuvor favorisierten Fraktionschef Norbert Frühauf entschieden.

Ronald Schill selbst will als einfacher Abgeordneter auf den Hinterbänken Platz nehmen. Zwar rechnen alle damit, dass er auch weiterhin mit skurrilen und eigenwilligen Äußerungen vor allem über die Medien Unruhe stiften wird, doch als Machtfaktor hat Schill ausgespielt. Als geradezu demütigend muss er es empfinden, wie schnell ihm die Parteiführung die kalte Schulter zeigt. Zu der Fraktionssitzung, auf der sein Nachfolger auf den Schild gehoben wurde, ist er gar nicht mehr erschienen.

Zuvor hat er ganz praktisch feststellen müssen, dass er nicht mehr in Amt und Würden ist. Als er für einen Interviewtermin beim NDR zu seinem Dienstwagen gehen wollte, stand der nicht mehr vor der Tür. Schill sagte das Interview daraufhin ab. Jetzt will er erst einmal für vier Wochen zum Urlaub nach Havanna verschwinden. Ob er zur nächsten Bürgerschaftssitzung Anfang September noch im Lande weilen wird, ist unklar.

Der Neue an der Spitze der Innenbehörde ist das genaue Gegenteil von Schill. Nockemann gilt als farbloser Apparatschik, der vor seiner politischen Karriere jahrelang zuständiger Amtsleiter für Asyl- und Flüchtlingsfragen in Mecklenburg-Vorpommern war. Seine rigide Haltung in Sachen Abschiebung zeigte sich damals schon.

Offen war auch gestern noch die Nachfolge des ebenfalls am Dienstag geschassten Innenstaatsrats Walter Wellinghausen. Als Kandidat im Gespräch war zunächst der von Schill aus München geholte Polizeipräsident Udo Nagel. Nockemann würde Nagel aber gerne als Chef im Polizepräsidium belassen.

Derweil zeichnet sich jetzt schon ab, dass der Vorwurf angeblicher Günstlingswirtschaft zwischen Bürgermeister Ole von Beust und Justizsenator Roger Kusch (beide CDU) in den Debatten der kommenden Wochen keine große Rolle spielen dürfte. Schill hatte von Beust nach seiner Entlassung vorgeworfen, der Bürgermeister habe Kusch nur deshalb ins Amt geholt, weil er eine schwule Beziehung zu dem Senator unterhalte. Sowohl von Beust als auch Kusch haben das inzwischen als falsch zurückgewiesen.

Der Justizsenator hatte zunächst zu den Vorwürfen geschwiegen, hat diese Strategie aber jetzt geändert. Um die Vorwürfe zu entkräften, empfing er Journalisten der Springer-Zeitungen in seiner Wohnung im Stadtteil St. Georg – der Wohnung, die Schill als „Liebeshöhle“ bezeichnet hatte. In mehreren Interviews bestritt der Senator eine Liebesbeziehung zum Bürgermeister. Von Beust sei lediglich „nicht der engste, aber vielleicht älteste Freund“, so der Senator.

Die SPD hat bereits deutlich gemacht, dass sie dieses Thema nicht im politischen Meinungskampf einsetzen werde. Der frühere Wirtschaftssenator Thomas Mirow, der sich als möglicher SPD-Spitzenkandidat für das Bürgermeisteramt selbst ins Gespräch gebracht hat, sprach von einer „Privatangelegenheit“. Man sollte „die gesamten Unappetitlichkeiten“ ignorieren, die Schill auf den Tisch gepackt habe, so Mirow schwer hanseatisch.