Eine ideale Landschaft

Fürst Hermann von Pückler-Muskau gestaltete einen der schönsten Parks in Europa. Nun soll das deutsch-polnische Gartenkunstwerk in die Unesco-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen werden

von GABRIELE LESSER

Die Reisegesellschaft genießt die Kutschfahrt. In einem Korb liegen sechs Weingläser und eine Flasche edlen Rotweins. Die Pferde setzen zu einem kurzen Galopp an, die Räder rasseln in tiefe Pfützen, die Stimmung wird immer ausgelassener. Wie trinkt man Wein auf einer Landpartie, wenn man so durchgeschüttelt wird?

Auf einer sonnenüberfluteten Lichtung im Wald hält die Kutsche. Die Gäste steigen aus, genießen die wundervolle Gartenlandschaft und schlendern zu den weißen Zelten und Sonnenschirmen. Dort ist ein Buffet vom Feinsten aufgebaut: Lachs und Kaviar, Roastbeef und gebratene Pute, köstliche Salate, Erdbeeren, Kirschen, Melonenbowle und Fürst-Pückler-Eis mit Schokoladensauce, eine Kreation, die Gourmet Pückler erfunden hat.

Vor zwei Jahrhunderten genossen so die Fürsten von Pückler-Muskau, die von Arnims und andere reiche Adlige ihr Leben. Heute treffen sich hier schon mal Kulturstaatsministerin Christina Weiss und ihr polnischer Amtskollege Waldemar Dąbrowski mit Denkmalpflegern und Gartenbauarchitekten. Denn durch den Fürst-Pückler-Park, einen der schönsten Landschaftsparks in Europa, läuft seit 1945 die deutsch-polnische Grenze. Auf der deutschen Seite liegt der mit rund 200 Hektar kleinere Teil des Parks mit dem Tropenhaus, dem Moorbad und der Orangerie. Wie in die Landschaft gemalt wirken die beiden herrschaftlichen Schlösser mit ihren „Pleasure Grounds“, den kunstvoll geschnittenen Hecken und geometrisch angeordneten Blumenbeeten im Stil der englischen Gärten.

Auf der polnischen Seite jenseits der Lausitzer Neiße zieht sich der großzügige Landschaftspark hin. Mitte des 19. Jahrhunderts verwandelte der Weltenbummler und Reiseschriftsteller Fürst Hermann von Pückler-Muskau rund 530 Hektar Wald und Wiesen in eine einzigartige Kulturlandschaft. Das bewusste Spiel von Licht und Schatten, die in der Sonne changierenden Farben der heimischen Bäume und Sträucher, die Spiegelbilder der idealen Landschaft in der Lausitzer Neiße zeugen vom großen künstlerischen Atem des Autodidakten.

Der Fürst investierte abertausende von Talern in sein Gartenkunstwerk, ließ sich sogar pro forma scheiden, um als Mitgiftjäger neues Geld für sein Lebensprojekt aufzutreiben, scheiterte allerdings an der gesunden Vorsicht des englischen Adels.

Seine „Briefe eines Verstorbenen“, in denen er die verzweifelte und letztlich erfolglose Suche nach der reichen Gattin beschrieb, avancierte dann allerdings zum Bestseller, der ihm so viel Geld einbrachte, dass er Muskau noch einige Jahre halten konnte. 1845 musste er sich endgültig von Schloss und Park trennen. Zusammen mit seiner geliebten Lucie, der Frau, von der er sich hatte scheiden lassen, zog er nach Branitz bei Cottbus, auf den unveräußerlichen Familiensitz der Pücklers. Auch hier entstand ein herrlicher Landschaftspark.

Einmalig in Europa sind die grünen Pyramiden, die aus der Bewunderung des Fürsten für die Giseh-Pyramide in Ägypten entstanden. Tatsächlich wurde dann auch die Seepyramide, der „Tumulus“, im Branitzer Park zur Begräbnisstätte Pücklers und seiner Frau Lucie.

Dank der engen Zusammenarbeit der Landschaftsgärtner auf beiden Seiten gewinnt der Muskauer Park allmählich seine ursprüngliche Gestalt zurück. Nun soll er in die Unesco-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen werden. In diesen Tagen prüft eine Kommission, ob der Park tatsächlich – nach dem Beitritt Polens zu EU und der Öffnung der Grenze zwischen beiden Ländern – wieder zu einer gestalterischen Einheit zusammenwachsen wird. Noch nämlich kann man über die im Krieg zerstörte und inzwischen fast wieder hergestellte Doppelbrücke nicht einfach von der einen auf die andere Seite des Parks gelangen, sondern muss den Park verlassen, den offiziellen Grenzübergang passieren und durch den größten aller polnischen Grenzmärkte gehen. Doch diese Umwege werden bald der Vergangenheit angehören. Wichtiger für die Gesamtwirkung des Parks sind die großen Sichtachsen, die Fürst Pückler einst über die Neiße hinweg anlegen ließ. Seit 1988 arbeiten deutsche und polnische Gartenbauarchitekten daran, diese oft kilometerlangen „freien Blicke“ auf ein Schloss, ein Denkmal oder eine mächtige alte Eiche wieder freizulegen, Wildwuchs zu beseitigen und auch durch Aufforstung hinzugefügte Bäume umzusetzen.

Der Modellcharakter der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit soll in der „Muskauer Schule“ fortgeführt werden. Wie einst im 19. Jahrhundert werden bald wieder junge Gartenbauarchitekten aus aller Welt zum Lernen in den Fürst-Pückler-Park kommen. Die sächsische Stadt Bad Muskau und die niederschlesische Stadt Łęknica sollen der Sitz einer europaweit einzigartigen Ausbildungsstätte für Gartendenkmalpflege werden.