Null zu Null zu Null zu Null zu Null

Vier Spiele ohne Tor, drei 0:0 in Folge. Hertha steht nach der erneuten Torflaute in Frankfurt vor dem Trottel-Rekord. Hoeneß macht sich nun ernsthafte Gedanken, Stevens weiß keinen Rat. Nun soll es im Pokal klappen – bei Oberligist Reutlingen

von MARKUS VÖLKER

Berlin wird derzeit nicht gerade von einer Flut positiver Nachrichten überschwemmt. Zwei rechthaberische Parteien streiten über das Entstehungsjahr der Currywurst, 1949 oder 1951; Pandabärin Yan Yan aus dem Zoo ist schon wieder nicht schwanger geworden vom lendenlahmen Bao Bao; und der Erstligist aus der Hauptstadt trifft nicht. Seit ungefähr 367 Minuten, die Nachspielzeit eingerechnet, und dem Start der Bundesliga-Saison sind die Blau-Weißen aus Charlottenburg ohne Torerfolg geblieben.

Auch am Samstagnachmittag im Frankfurter Waldstadion vor 22.500 Zuschauern veränderte sich nichts am vernullten Stand der Dinge. Der Torhunger von Hertha BSC ist auf mysteriöse Weise erloschen. Keiner der Vereinsvertreter hat eine Erklärung für die Diät, der sich alle Spieler angeschlossen haben. Es hat nicht gegen Bremen geklappt, nicht in Stuttgart und schon gar nicht gegen den SC Freiburg – trotz vieler Chancen.

In Frankfurt war anfangs der Wille erkennbar, das Runde ins Eckige zu bugsieren, wie es sich für ordentliche Profis gehört. Bart Goor, Arne Friedrich und Pal Dardai versuchten sich vor dem Kasten von Eintracht-Torwart Nikolov, doch der Ball rutschte nicht über den Kreidestrich, der Herthas Grenze der fußballerischen Möglichkeiten scharf markiert. Stürmer Fredi Bobic blieb im gesamten Spiel ohne Torchance, sein Angriffspartner Nando Rafael tat sich schwer. Mittelfeldakteur Niko Kovac verfiel in eine Orgie aus Fehlpässen. 23 zählten die Statistiker am Ende der Partie.

Da Frankfurt ebenfalls mit gefährlichen Aktionen im Strafraum geizte, entwickelte sich ein Spiel, das nicht der Unterhaltung dienen konnte. Zwei Teams anzusehen, die sich erfolgreich dem Ziel des Spiels verweigern, bedient allenfalls masochistische Gemüter. Es sei daran erinnert, dass wichtige Spieler fehlten in den Reihen der Berliner, wie der am Fuß verletzte Marcelinho oder der nach einer Roten Karte gesperrte Artur Wichniarek, aber daran sollte es nicht liegen, dass sich Hertha BSC auf die Jagd nach dem Negativ-Startrekord des VfL Bochum gemacht hat, der in der Saison 1979/80 in fünf Spielen ohne Tor blieb. Die Berliner Zeitungen vom Sonntag ereifern sich, wie nicht anders zu erwarten, über den miesen Start der ambitionierten Truppe. „0:0! Hertha, jetzt reicht's“, meckert die B.Z. und macht sich weiter unten über „Huubs Null-Null-Nix-Profis“ lustig. Bild textet: „Noch ein 0:0 und ihr habt den Trottel-Rekord“. Die Berliner Morgenpost sorgt sich über das Ansehen von Hertha BSC: „Mit jedem Spiel wird der Klub mehr zur Lachnummer der Liga.“

Manager Dieter Hoeneß sieht das anders, er demonstriert nach außen Gelassenheit. „Ich mache mir ernsthafte Gedanken, verfalle aber nicht in Panik. In der letzten Saison sind wir auch mit drei Punkten gestartet“, sagte er. „Wir dürfen jetzt nicht zu viel Druck auf die Mannschaft ausüben, sonst greift der auch noch auf die Führungsspieler über. Es darf sich kein Komplex entwickeln, weil wir das Tor nicht treffen.“

Der ehemalige Angreifer Hoeneß übt sich also in Nachsicht, er weiß aus eigener Erfahrung, dass der Torjäger oft Täler durchschreitet und nur selten mit solchem Lob überschüttet wird, wie es seinerzeit Norbert Nachtweih erübrigte. „Der Hoeneß springt so hoch, wenn der wieder runterkommt, liegt auf seiner Glatze Schnee“, dichtete Nachtweih.

Hoeneß scheint der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu vertrauen, irgendwann muss es fallen, das Tor – die Logik gebietet es. Zudem müsse man das Positive sehen, forderte Hoeneß und hob zu einem ironischen Bonmot an: „Die Null steht, zumindest hinten.“

Wie schön, wenn man so wenig Probleme hat und nur der Trainer, Huub Stevens, unter einem Anflug von Ratlosigkeit litt. „Warum bei uns momentan keiner trifft, weiß ich auch nicht. Chancen waren genug da.“ Einer, der keine davon hatte, Fredi Bobic, sagte: „Uns fehlt der letzte Kick, der Pass in die Tiefe, wir haben absolut keine Torgeilheit.“ Kovac konstatierte, einige Herthaner hätten ja bei den Einsätzen im Nationalteam Treffsicherheit bewiesen und gezeigt, dass es geht. Doch nur einer traf – der Pole Wichniarek.

Am kommenden Samstag will Hertha BSC nun endlich ein Tor schießen. Es sollte gelingen. Man reist zum Oberligisten aus Reutlingen: DFB-Pokal, erste Runde. „Hoffentlich kommen wir da auf den Geschmack“, sagt Marko Rehmer. Na dann: Guten Hunger!