la vie parisienne
: FRANK KETTERER trinkt teures Bier in petit Brasserie

Das Phantom von Paris

Die Wolken erschienen pünktlich und damit genau so, wie es die Wetterforscher orakelt hatten: Die WM kommt, die Sonne geht – auch in Frankreich kann das Leben bisweilen ungerecht sein.

Dem sonnigen Gemüt von Essar Gabriel konnte das fürs Erste dennoch nichts anhaben – zumal Madame Soleil am Sonntag schon wieder in alter Strahlkraft zurückgekehrt war. Gabriel ist 37 Jahre alt und der Generaldirektor dieser Leichtathletik-WM, was bestimmt kein ganz leichter Job ist, schließlich buhlt ja auch die Metropole an der Seine um die Austragung der Olympischen Spiele 2012. Da ist so ein Leichtathletik-Sportfest ein prima Schaufenster, um der Welt zu zeigen, wie toll man doch organisieren kann. Und an Unterstützung von ganz oben mangelt es auch nicht, womit jetzt nicht die Wolken gemeint sind und der Regen, der ganz bestimmt jeden Moment aus ihnen fällt, sondern toute la France: 59,5 Millionen Euro wird diese WM kosten, was ein ganz schöner Batzen ist – und zu fast 50 Prozent von Staat getragen wird. Essar Gabriel will mit diesem Geld Maßstäbe setzen. Er sagt: „Ich bin ziemlich heiter.“

Bei seiner Mission erschwerend wirken dürfte allerdings, dass sich die Grande Nation nicht so richtig für die Leichtathletik zu erwärmen versteht; der Garçon, der uns am Samstagabend in der netten, kleinen Brasserie das teure Bier (7 Euro) gebracht hat nach selbstredend wohlgetaner Arbeit, hatte noch nicht einmal eine Ahnung davon, dass am anderen Ende seiner Stadt ab sofort gelaufen, gesprungen und geworfen wird. Warum sollte er auch? Die Franzosen werden hier ja kaum etwas gewinnen, wahrscheinlich nicht viel mehr als die Deutschen.

Ziemlich gut verkauft haben sich die Eintrittskarten dennoch, was wiederum das Verdienst von Essar Gabriel ist, der das Land taktisch geschickt mit einer aufwendigen Werbekampagne überzogen hat, die nun offensichtlich Wirkung zeigt (auch wenn unser Garçon wenig davon mitbekommen hat). 450.000 Karten hat Herr Gabriel für die neun WM-Tage bereits abgesetzt, das verspricht schon jetzt eine einigermaßen stimmungsvolle Kulisse.

Höhepunkt wird der Mittwoch sein, der als ziemlich ausverkauft gilt, was damit zu tun hat, dass mercredi jeder auch nur halbwegs sportinteressierte Franzose sich seit langem rot im Kalender angestrichen hat. Es sollte der große Tag werden, an dem das Phantom zurückkehrt auf die Weltbühne des Sports. Das Phantom heißt Marie-José Pérec, ist 35 Jahre alt und dreimalige Olympiasiegerin (400 m und 200 m) sowie zweifache Weltmeisterin über 400 m. Seit Olympia vor drei Jahren in Sydney aber wurde Madame Pérec nicht mehr gesehen. Sie, die Sportikone Frankreichs, flüchtete damals vor ihrem Rennen, die Gründe sind bis heute nicht wirklich bekannt. Als sie dann im Februar diesen Jahres drei Reporter in ihr kalifornisches Exil nach San Diego lud, um mit ihnen über ihr Comeback bei der WM im August in Paris zu plaudern, war Sport-Frankreich von dem Gedanken der Rückkehr wie elektrisiert. Später, bald schon, kamen Zweifel auf. Noch später sagte Madame Pérec ihren WM-Start wieder ab – wegen Ischiasbeschwerden.

Dafür hat das Phantom, das dieser Tage in L’Equipe eine Kolumne mit ihren Gedanken füllt, nun eine Pressekonferenz einberufen – am Donnerstag auf dem Eiffelturm. Mal sehen, ob sie diesmal kommt.