Outing angeordnet

Kelly-Affäre: Premier Tony Blair soll nach Protokollen die Bloßstellung des Waffenexperten veranlasst haben

DUBLIN taz ■ Tony Blair war verantwortlich dafür, dass der Wissenschaftler David Kelly als Quelle für einen umstrittenen BBC-Bericht bloßgestellt wurde. Bisher hatte der britische Premierminister behauptet, das sei alleine Sache des Verteidigungsministeriums gewesen. Aus vertraulichen Dokumenten, die der Untersuchungskommission des Lordrichters Brian Hutton vorige Woche vorgelegt wurden, geht hervor, dass es eine Reihe von Treffen in Blairs Amtssitz gegeben hat. Auf einer dieser Sitzungen hat Blair angeordnet, die BBC-Quelle zu benennen. Die Einzelheiten überließ er dem Verteidigungsministerium.

Hutton untersucht den Tod von David Kelly. Der Waffenexperte hat sich Mitte Juli vermutlich umgebracht, nachdem er vom Verteidigungsministerium vier Tage lang über seine Kontakte zu dem BBC-Reporter Andrew Gilligan verhört worden war und darüber hinaus bei der Sitzung eines Parlamentsausschusses Rede und Antwort stehen musste. Gilligan hatte in seinem Bericht behauptet, Blairs Chefsprecher Campbell hätte dafür gesorgt, das Regierungsdossier vom vergangenen September aufzubauschen und die vom Irak ausgehende Gefahr zu übertreiben. Kelly war Anonymität zugesichert worden, nachdem er seinem Vorgesetzten im Verteidigungsministerium freiwillig von dem Gespräch mit Gilligan erzählt hatte. Am 10. Juli stand sein Name in allen Zeitungen. Zwei Tage zuvor hatte Blair eine Sitzung mit seinen Beratern geleitet. „Es wurde akzeptiert, dass in Anbetracht des zweiten Verhörs von David Kelly keine andere Wahl besteht, als öffentlich zu machen, dass jemand erklärt habe, er könne die Quelle sein“, heißt es in dem Sitzungsprotokoll. Am Wochenende vor Kellys Demaskierung glühten die Telefonleitungen zwischen Downing Street und dem Verteidigungsministerium, wobei es um die Presseerklärung ging.

Diese Erklärung, die deutliche Hinweise auf Kelly enthielt, ist in Blairs Amtssitz entworfen und von seinen Beratern abgezeichnet worden, veröffentlicht wurde sie vom Verteidigungsministerium. Blair wird sich dazu am Donnerstag äußern müssen, wenn er vor dem Hutton-Ausschuss aussagt. Hutton wird ihn fragen, ob das Irak-Dossier auf Anweisung der Regierung aufgebauscht wurde. RALF SOTSCHECK

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