Rückschlag für Brasiliens Weltraumprogramm

Ursache des Absturzes einer Trägerrakete mit 21 Toten ist noch unklar. Präsident Lula will Programm weiterführen

PORTO ALLEGRE taz ■ Am frühen Freitagnachmittag befiel den brasilianischen Senatspräsidenten José Sarney ein böse Vorahnung. Von seiner Villa in der Hafenstadt São Luís sah er einen Rauchpilz über der Weltraumstation Alcântara aufsteigen. Die Raketenbasis liegt gut 30 Kilometer entfernt auf der anderen Seite der Bucht. Wie später gemeldet wurde, war dort eine Satellitenträgerrakete vom Typ VLS-1 explodiert, vermutlich nach einer Zündung an einem ihrer vier Triebwerke. Kurz vor Mitternacht stand fest: 21 Menschen waren bei dem Unglück umgekommen.

Tags darauf beschrieb ein Augenzeuge das Szenario nach der Zündung. 300 Tonnen Stahl seien von einem „riesigen Feuerball“ verschlungen worden, sagte er der Folha de São Paulo. Darüber habe sich eine riesige Giftgaswolke gebildet. Mit der 6,5 Millionen US-Dollar teuren Rakete sollten heute zwei brasilianische Forschungssatelliten ins Weltall befördert werden.

Unklar blieb bislang die Ursache des Unglücks. Es ist der schwerste Rückschlag für die Bestrebungen Brasiliens, ein eigenständiges Satellitenprogramm zu entwickeln. Bei den beiden vorausgegangenen Versuchen 1997 und 1999 waren die VLS-1-Raketen Minuten nach dem Start explodiert. Tote waren damals aber nicht zu beklagen.

Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ließ mitteilen, das Weltraumprogramm werde fortgesetzt. Experten, die sich zu Wort meldeten, plädieren für eine Weichenstellung. Luiz Bevilaqua, Chef der brasilianischen Weltraumbehörde. Er forderte von der Regierung eine Entscheidung über ein „komplettes“, aber auch teures Weltraumprogramm. Die Alternative: ganz aufzugeben und in „technologischer Abhängigkeit von anderen Ländern“ zu verharren.

Auch die Militärs, die in den Siebzigerjahren das Weltraumprogramm und die Entwicklung des VLS-Programms lanciert hatten, waren von ähnlichem Streben nach Eigenständigkeit motiviert. Doch wegen technischer Probleme und Geldmangel zögerte sich das Satellitenprogramm hinaus. Den ersten brasilianischen Trabanten brachte 1993 eine US-Rakete ins Weltall. Ein von Lulas Vorgänger Fernando Henrique Cardoso vorgelegtes Abkommen über die Nutzung Alcântaras durch die USA ratifizierte das Parlament nicht.

Unmittelbar vor der Explosion hatte Bevilacqua in Brasília ein Abkommen zur gemeinsamen Nutzung der Raketenbasis Alcântara durch Brasilien und die Ukraine vorgestellt. Demnach will die Ukraine 90 Millionen Dollar in das Projekt stecken. Der erste gemeinsame Satellit soll 2006 ins All geschickt werden, die kommerzielle Nutzung der Weltraumstation ist für 2011 geplant. GERHARD DILGER