Massenproteste gegen Gemeindereform

In Mazedoniens Hauptstadt Skopje demonstrieren tausende gegen mehr Selbstverwaltungsrechte für Albaner

BELGRAD taz ■ Unter dem Motto „Ganz Mazedonien für ein ganzes Mazedonien“ protestierten am Montagabend rund 20.000 Menschen in Skopje gegen die Gemeindereform. Man müsse eine „Föderalisierung“ Mazedoniens verhindern, riefen die Demonstranten, der gesamte an den Kosovo grenzende Westen des Landes würde sonst auf lokaler Ebene von albanischen Parteien „kontrolliert“. Zudem forderten sie vorgezogene Parlamentswahlen.

„Als ob wir eine albanische und nicht eine mazedonische Regierung hätten“, nörgelte ein mazedonischer Kaufmann. Jeder Mazedonier würde sich unbehaglich fühlen, wenn Straßenschilder in Skopje auch in Albanisch beschriftet wären.

Bereits seit dem Morgen hatten rund 6.000 Polizisten alle Zufahrten nach Skopje kontrolliert. Das Zentrum der Hauptstadt Mazedoniens war für den Verkehr gesperrt. Reguläre und Sondereinheiten der Polizei beschützten die Regierungsgebäude und das Parlament. Dort hatte am Vormittag die Debatte über das Gesetz über „Dezentralisierung und territoriale Neuaufteilung der Gemeinden“ begonnen.

Das umstrittenen Gesetz soll mehr lokale Autonomie und Zweisprachigkeit überall dort garantieren, wo Albaner über 21 Prozent der Bevölkerung stellen. Außerdem würden die neuen Gemeindegrenzen einige bisher mazedonische in mehrheitlich albanische Gemeinden verwandeln. Die Debatte im Parlament soll bis zum 7. August dauern und im Fernsehen live übertragen werden. Einige Oppositionsführer drohten, „notfalls“ das Parlament besetzen zu wollen.

Der Großteil der mazedonischen Bevölkerung, die Akademie der Wissenschaften und Künste sowie die mazedonische orthodoxe Kirche wollen die „Albanisierung“ Mazedoniens nicht akzeptieren. In rund vierzig mazedonischen Gemeinden sprachen sich Mazedonier bei einem Referendum unlängst gegen das „verbrecherische“ Paket von Kommunalgesetzen aus.

Premier Hari Kostov wagt – mit der Unterstützung der EU und der USA – einen risikoreichen Schritt, und das gegen den Wunsch der eigenen mazedonischen Wähler, meinen Analytiker vor Ort. Albanische Parteien und die Regierung berufen sich auf das „Abkommen von Ohrid“, das 2001 die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen der albanischen „Befreiungsarmee“ und den mazedonischen Streitkräften beendete. Skopje versprach albanischen Partei- und Guerillaführern mehr Minderheitenrechte und lokale Autonomie. Bewaffnete albanische Gruppen legten dafür die Waffen nieder.

Die regierende Koalition – Sozialdemokratischer Bund, Liberale Demokratische Partei und die albanische Demokratische Union für Integration – wird jedenfalls versuchen, das Gesetz durchzuboxen. Wenn das gelingt, wird sie wohl oder übel Massendemonstrationen der slawischen Bevölkerung in Kauf nehmen müssen. Wenn nicht, könnte die albanische Befreiungsarmee wieder zu den Waffen greifen. ANDREJ IVANJI