Unentschieden, aber kein Remis

Auf den Königsweg zur Sanierung des Gesundheitswesens hat man sich bei Rürup bis zuletzt nicht geeinigt. Nun ist die Politik am Zug – doch die hat Zeit

von ULRIKE WINKELMANN

Jetzt sind sie fertig miteinander. Wenn sich heute die Rürup-Kommission zur Sanierung der Sozialsysteme ein letztes Mal im Steinsaal des Gesundheitsministeriums zusammensetzt, der so grau und kalt ist, wie der Name vermuten lässt, geht es nur um eines: die Abstimmung des Abschlussberichts. Der wird am Donnerstag Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) übergeben.

Vorschläge zu Rente, Kranken- und Pflegeversicherung enthält das 385-seitige Werk der 26-köpfigen Kommission. Eines aber sagt der Bericht nicht: Welches der Königsweg zur Finanzierung des Gesundheitssystems sein soll. Den zu finden, war der Kommission zwar im November 2002 aufgetragen worden. Doch ihre Besetzung mit Deutschlands prominentesten Experten hat ein eindeutiges Ergebnis verhindert. Denn die wussten schon, was sie wollten: Verschiedenes.

Eine Einigung zwischen Bert Rürup, dem Vertreter der „Kopfpauschale“, und Karl Lauterbach, dem Vertreter der „Bürgerversicherung“, war ausgeschlossen. Der Abschlussbericht enthält nun allein aus der Arbeitsgruppe Gesundheit mit ihren 16 Mitgliedern noch elf „Minderheitsvoten“. Wie die Debatte weitergeht, wird ab heute also wieder maßgeblich von der Politik abhängen.

Um die Folgen der Alterung der Gesellschaft aufzufangen und die Finanzierung des Gesundheitssystems von den Arbeitslöhnen zu lösen, erkennt der Darmstädter Bert Rürup nur eine Lösung: die Kopfpauschale, die im Bericht „Gesundheitsprämie“ heißt und mit 210 Euro veranschlagt wird. „Jeder erwachsene Versicherte zahlt eine Gesundheitsprämie, die für alle Versicherten derselben Krankenkasse gleich hoch ist“, heißt es im Bericht, der der taz vorliegt. „Zwischen den Krankenkassen werden sich als Ergebnis des Wettbewerbs um Effizienz unterschiedliche Prämienhöhen ergeben.“ Die Arbeitgeberanteile an der Krankenversicherung müssten als Lohn ausgeschüttet werden. Dadurch gibt es mehr Steuern, von denen könnten die Zuschüsse für Arme und Familien bezahlt werden.

Dagegen hält der Kölner Karl Lauterbach, dass es auch bei einem Steuerausgleich für die untersten Einkommensgruppen ungerecht sei, den Millionär soviel Krankenversicherung zahlen zu lassen wie seine Sekretärin. Lauterbach schlägt vor, alle Einkommen und alle Berufsgruppen in eine „Bürgerversicherung“ einzahlen zu lassen. Alle Einkommen würden bis zu einer Höhe von 5.100 Euro „verbeitragt“. Privatversicherungen dürften sich auf dem Markt der Zusatz- und Luxus-Versorgung tummeln. „Zu prüfen“ wäre, heißt es im Bericht, ob und wie sich die Privatkassen „am Angebot der Bürgerversicherung beteiligen können“. Damit kommt Lauterbach auch dem Exgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) entgegen. Dieser hat gefordert, die Privatkassen nicht auszusperren.

Anders als zunächst geplant, enthält der Bericht keine Aufforderung an die Politik, noch in dieser Regierungsperiode zu handeln. Ein Fehler, meint Lauterbach: „Wir haben keine Zeit zu verlieren“, erklärte er gestern der taz. Ein Umbau, schätzt er, werde fünf bis zehn Jahre dauern. „Doch ab 2010 stehen wir vor einem großen demografischen Problem. Es wird sprunghaft mehr Rentner geben.“ Gegenwärtig schaffe der Geburtenknick des Zweiten Weltkriegs noch Erleichterung.

Die Bundesregierung jedoch ist sich über das nötige Reformtempo nicht einig – unter anderem gibt es unterschiedliche Einschätzungen darüber, ob die Wählerschaft eine weitere Reform verträgt. Schließlich wird den Versicherten in diesem Jahr schon eine Reform zugemutet, die sie mit Milliarden Euro belasten wird. Vorsichtig formulierte Schmidts Staatssekretär Klaus Theo Schröder gegenüber der taz: „Die Bundesregierung wird in dieser Legislatur eine konzeptionelle Debatte führen und anschließend eine Entscheidung fällen.“ Sein Wort in des Kanzlers Ohr.