Ausbildungspakt im Kompetenzcheck

Im Herbst werden wieder zehntausende Jugendliche ohne Ausbildungsplatz dastehen, wie sogar die Handelskammern einräumen. Die Arbeitgeber setzen darauf, dass die Vermittlung dieses Jahr dennoch besser klappt – dank Kompetenztests

VON ULRIKE WINKELMANN

Vielleicht liegt die Wahrheit ja in der Mitte? „Pakt für Ausbildung scheitert“, titelte gestern die Berliner Zeitung – „Ausbildungspakt bringt erste Erfolge“ das Handelsblatt. Die Wahrheit gibt’s noch gar nicht, erklärte dagegen das Bildungsministerium. „Nicht bestätigen und nicht zurückweisen“ konnte Sprecher Florian Frank die Meldungen: „Die Rechnung wird im Herbst gemacht.“

Im September beginnt das Ausbildungsjahr. Mitte Juni wurde der „Ausbildungspakt „zwischen Regierung und Arbeitgebern geschlossen – doch ob er die Zahl der unversorgten Jugendlichen verringert, ist noch unklar. 30.000 neue Ausbildungsplätze jedes Jahr sagten die Verbände damals zu – ohne freilich die Zahl der Plätze zu nennen, die gleichzeitig abgebaut werden. Im Handelsblatt verkündeten gestern mehrere Großunternehmen, dass sie neue Ausbildungsplätze schaffen wollten: Die Handelskette Metro plus 2 Prozent, Henkel plus 8, Deutsche Bank plus 110 Plätze, Hypo-Vereinsbank plus 200.

Dagegen erklärte der Generalsekretär des Bundesinstituts für Berufsbildung, Helmut Pütz, warum er in der Berliner Zeitung bereits jetzt das Scheitern des Pakts verkündet hat: Ihn treibe „die Besorgnis, dass die Unternehmen sich zurücklehnen“, wenn zu früh positive Zahlen verbreitet würden, sagte Pütz der taz. Man müsse skeptisch bleiben.

Denn: „Wenn Metro jetzt neue Plätze anbietet, heißt das noch lange nicht, dass die für die Jugendlichen auch attraktiv sind. Ein Angebot ist noch kein Vertragsabschluss“, sagte Pütz. Im Übrigen seien es nicht vor allem die Großbanken, sondern die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die sich aus der Ausbildung zurückzögen. Auf die aber komme es an.

Mit dem Arbeitsplatzabbau gehe der Abbau der Ausbildungsplätze einher. „Wir rechnen weiterhin mit einem jährlichen Rückgang von 2 bis 3 Prozent“, sagte Pütz. Er vermutet, dass im Herbst wieder 30.000 bis 35.000 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz dastehen – plus jene 60.000 bis 65.000 Jugendlichen, die etwa in staatlichen Maßnahmen „Warteschleifen“ ziehen.

Dass es auch in diesem Jahr eine Lehrstellenlücke geben dürfte, bestätigt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sogar. Günter Lambertz, DIHK-Ausbildungsexperte, erklärt jedoch, dass neue Vermittlungsverfahren dennoch einen Unterschied bewirken könnten: Wer nicht sofort eine Stelle bekommt, der geht dann zum „Kompetenzcheck“ bei der Arbeitsagentur und wird „nachvermittelt“ – zum Beispiel auf einen der 25.000 neuen Praktikumsplätze, die ebenfalls im Pakt vorgesehen sind. „Ich bin zuversichtlich, dass wir zum Jahresende besser dastehen als letztes Jahr“, sagte Lambertz der taz.

Es sei zu früh, schon wieder mit dem Gesetz zur Ausbildungsumlage zu drohen, befand gestern die SPD-Linke Andrea Nahles, die ursprünglich für die Umlage eingetreten war. Erst wenn ein Scheitern des Paktes messbar sei, „muss das Gesetz wieder her“, erklärte sie der taz. Die „Umlage“, eine Zwangsabgabe für nicht ausbildende Betriebe, war im Juni aufs Abstellgleis geschoben und durch den freiwilligen Ausbildungspakt ersetzt worden.

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