Nockemann könnte Stadt retten

Bürgermeister Ole von Beust streut Neuwahlspekulationen, falls neuer Innensenator in der Bürgerschaft die Mehrheit verfehlt. Drei Koalitionsfraktionen sind von sich überzeugt. Auch Ronald Schill will dem Rechts-Senat die Treue halten

von PETER AHRENS

Der Bürgermeister erhöht den Druck auf die Senatsfraktionen in der Bürgerschaft. Um jeglichen Spekulationen über eine Mehrheit des Rechts-Senats nach der Entlassung von Innensenator Ronald Schill einen Riegel vorzuschieben, lässt er Neuwahlgerüchte streuen. Falls der Schill-Abgeordnete Dirk Nockemann am Mittwoch der kommenden Woche nicht genug Stimmen erhält, um Innensenator werden zu können, will von Beust die Koalition platzen lassen, heißt es aus CDU-Kreisen.

Die drei betroffenen Fraktionen von CDU, FDP und Schill-Partei reagieren noch gelassen. Angesichts der Erfahrungen aus den vergangenen geheimen Abstimmungen will der Bürgermeister wohl auf Nummer sicher gehen: Sowohl er selbst als auch Kultursenatorin Dana Horáková hatten in der Bürgerschaft Gegenstimmen aus dem eigenen Lager kassiert. Wenn nur drei Koalitionsabgeordnete gegen Nockemann votieren würden, wäre er durchgefallen. Als Wackelkandidat gilt möglicherweise ein rachsüchtiger Ronald Schill selbst, der seit seiner Entlassung von seinen ehemaligen Koalitionskumpels mit Schimpf und Schande überhäuft wird. Der geschasste Innensenator selbst hat jedoch schon durchblicken lassen, dass er den Rechts-Senat nicht zu sabotieren gedenke.

„Bei uns zumindest wird nichts passieren“, legt Schill-Fraktionssprecher Marco Haase für seine Leute die Hand ins Feuer. Die Schill-Fraktion hatte in der Vorwoche allerdings in Abwesenheit ihres Parteigründers eine Probeabstimmung vorgenommen, die, so Fraktionschef Norbert Frühauf „erfolgreich“ verlaufen sei. Sicher ist sich Haase auch bei den Abgeordneten der FDP, der CDU billigt er „99 Prozent Sicherheit“ zu.

Entsprechend etwas vorsichtiger formuliert CDU-Fraktionssprecher Hein von Schassen, er „gehe davon aus, dass die Mehrheit hält“. Die Fraktion werde „vor der Sitzung noch einmal ausdrücklich auf den Ernst der Lage hingewiesen“. Neuwahlen wolle niemand, auch wenn die CDU zurzeit bei gut 40 Prozent eingeschätzt wird. Bei von Schassen im Büro hängt ein Wahlplakat aus dem Jahr 1986: Damals erreichte die CDU über 42 Prozent, und es reichte mangels Koalitionspartner doch nicht für die Macht: „Das wollen wir nicht noch einmal erleben.“ Falls die Abstimmung am 3. September schief laufen sollte, „dann haben wir ein Problem, und zwar ein großes“, orakelt auch FDP-Sprecher Christian Sommer.

Angesichts solchen Fracksausens wittert gar die SPD, die das Thema Neuwahlen insgeheim schon abgehakt hatte, wieder Morgenluft. Sie werde die Forderung nach raschen Wahlen zum Schwerpunkt ihrer Aktivitäten in den kommenden Tagen und Wochen machen, kündigte der Landesvorsitzende Olaf Scholz gestern an. Die SozialdemokratInnen wollen Hamburger Prominenz „aus Politik und Wissenschaft“ gewinnen, um in der Stadt ein Klima zu schaffen, in dem Neuwahlen als einzige Lösung angesehen werden. Dafür hat Scholz noch ein bisschen Arbeit vor sich: Bisher sind laut Emnid-Umfrage erst 45 Prozent der Hamburger Bevölkerung der Ansicht, dass der Senat nicht so weitermachen soll wie bisher.