Chai! heißt: Lebe!

Anlässlich der Ausstellung „Chai!“ im September in Bremen sprach ein kritischer Landesrabbiner Benyamin Barslai gestern von der „Entheiligung des Sabbat“

bremen taz ■ Nach zweijähriger möglichst umsichtiger Vorbereitung sollte die Öffentlichkeit gestern von einer Ausstellung samt Rahmenprogramm aus Anlass des 200-jährigen Bestehens der jüdischen Gemeinde in Bremen erfahren. Die Presse war zur Konferenz ins Rathaus geladen. Doch statt des bei solchen Anlässen üblichen vorausschauenden Selbstlobes holte Landesrabbiner Benyamin Barslai zum Überraschungsschlag gegen Inhalt und Form der Veranstaltungen unter dem Titel „Lebe! Chai!“ aus – als seien Mitglieder der Jüdischen Gemeinde nicht intensiv daran beteiligt gewesen.

Dass es an Ort und Stelle nicht zum Eklat kam, lag an der besonnenen Reaktion der übrigen Anwesenden: VertreterInnen der Landeszentrale für politische Bildung, der Universität und des Staatsarchivs nahmen die „rabbinerliche Strenge“ freundlich auf sich – wohl auch, um die weitere Zusammenarbeit nicht zu gefährden. Hatte es doch zuvor geheißen, die Ausstellung sei beispielhaft in Deutschland – die erste, die sich jüdischem Gemeindeleben in einer Großstadt, nach dem Holocaust bis heute, widme. „Eine Zeit, die ungeheure Veränderungen mit sich brachte“, wie die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Elvira Noa, betonte.

Darf ich auch kritisieren?“, ergriff dann Rabbiner Barslai das Wort und erklärte: „In gewisser Weise fühle ich mich angegriffen.“ Dass ein Konzert, etwa die „Meditation judaic“ mit Ramon Jaffé, an einem Freitagabend stattfinde, sei „eine Entheiligung des Schabbat“. Dann hämte er, „Nichtmitglieder der Gemeinde, die sich als Juden ausgeben“, würden hier Konzerte veranstalten, auch lasse man „irgendeine Wissenschaftlerin Geschichten erzählen, die von Anfang bis Ende nicht stimmen.“ Weitere Kritik: Das Judentum werde in einem Informationsblatt zur Ausstellung falsch dargestellt. „Man hat offenbar vergessen, den Landesrabbiner zu fragen“, verwies er mehr hoheits- als würdevoll auf eigene Qualitäten.

Die Leistungen der Jüdischen Gemeinde waren dabei zuvor mehrfach betont worden. Synagoge und Gemeinderäume in der Schwachhauser Heerstraße haben sich in den vergangenen rund 50 Jahren immer mehr zu Orten der religiösen und kulturellen Integration entwickelt. Hatten nach der Befreiung 1945 nur 95 Überlebende aus Theresienstadt die Bremer Gemeinde neu aufbauen können, zählt sie heute rund 1.200 Mitglieder. Der Wandel kam mit dem Fall der Mauer und verstärkter Zuwanderung verfolgter Juden aus den GUS-Staaten. Integrationsarbeit, Sprachkurse, religiöse Unterweisung und Sozialarbeit sind damit wichtiger Bestandteil eines sich verändernden Gemeindelebens geworden. Beiträge und Leistungen, die viele Menschen in Bremen gar nicht wahrnehmen, über die man aber aufklären wolle, sagte Herbert Wulfekuhl, der Leiter der Landeszentrale für politische Bildung. ede

Eröffnung 3. September, 18 Uhr, Obere Rathaushalle mit Landesrabbiner a.D. Joel Berger und Bürgermeister a.D. Hans Koschnick, Ausstellung in der Unteren Rathaushalle siehe auch www.lpzb-bremen.de