Folter ist kein Grund für Asyl

Wegen einer Formalie scheiterte der Asylantrag des Tamilen Siva. Kein anderer saß hier länger in Abschiebehaft. Nach Hungerstreik und Verlegung in eine Klinik ist er jetzt untergetaucht

VON PHILIPP GESSLER

Der Asylbewerber Paramesvaran Sivabalasundaram, der über ein Jahr und damit länger als jeder andere Berliner Häftling in Abschiebegewahrsam saß, ist untergetaucht. Dies bestätigte Christine Schmitz von der Initiative gegen Abschiebehaft, die sich des Falls angenommen hat.

Der Tamile Siva, wie er sich selbst nennt, erhält nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden kein Asyl, obwohl er persönlich nie angehört wurde – und eine unabhängige ärztliche Diagnose festgestellt hatte, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit in Sri Lanka aus politischen Gründen gefoltert wurde (die taz berichtete). Zugleich ist von hiesigen Behörden keine Hilfe zu erwarten. Im Gespräch mit der taz betonte Innensenator Ehrhart Körting (SPD), dass es nicht in seiner Macht stehe, dem Flüchtling zu helfen: „Es ist kein Berliner Verfahren.“

Der Fall Sivas ist besonders tragisch, weil der 23-Jährige eigentlich recht gute Chancen gehabt hätte, als politischer Flüchtling in der Bundesrepublik Asyl zu erhalten: Laut Siva begann seine Odyssee im Juni 2001, als er in einem regimekritischen Theaterstück in Sri Lanka auftrat. Daraufhin wurde er nach eigenen Angaben von der Polizei verhaftet und gefoltert – so sehr, dass er in ein Haftkrankenhaus gebracht werden musste. Auf dem Weg dorthin konnte er fliehen. Er gelangte nach Deutschland, wo er am 14. Juni 2002 Asyl beantragte.

Siva reiste weiter nach Großbritannien, weil er dort einen Freund hat und die Chance für ein Asyl dort als besser erachtete. Im Vereinigten Königreich aber wurde nach acht Monaten der Asylantrag abgelehnt, weil er schon in Deutschland Asyl beantragt hatte. Er wurde in die Bundesrepublik abgeschoben, wo er erfuhr, dass auch hier sein Antrag nicht durchkam, weil er beim entscheidenden Anhörungstermin für sein Verfahren nicht zugegen war, so das Verwaltungsgericht Dresden. Siva war ja in England.

So kam Siva im Mai letzten Jahres ins Abschiebegefängnis Köpenick. Anfang Juli dieses Jahres wurde er in ein Krankenhaus entlassen. Siva war sechs Wochen im Hungerstreik gewesen, um auf seinen Fall aufmerksam zu machen. Deshalb war er nicht mehr abschiebefähig. Der Chirurg Lothar Grunau vom Vollzugsbeirat hat Siva mittlerweile bescheinigt, er habe Narben „an foltertypischen Stellen“.

Wie geht es nun weiter mit Siva? Nach Einschätzung Körtings war das Vorgehen seiner Anwälte vor Gericht nicht optimal. Gegen den Spruch aus Dresden kann Siva jedoch nur noch beim Bundesverfassungsgericht oder beim Sächsischen Verfassungsgerichtshof Einspruch einlegen.

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