Adnans Meisterleistung

Auch nach dem erzwungenen Abschied von Nationaltrainer Bernd Stange gelingen den irakischen Fußballern erstaunliche Erfolge. Die Olympia-Auswahl steht morgen im Viertelfinale des Asien-Cups

AUS PEKING MARTIN HÄGELE

Adnan Hamd Maajid ist niemals allein. Entweder klingelt sein Handy, nachdem er sich gleich nach der Ankunft in Peking seine Telefonkarte für ein paar hundert Yuan Renminbi wieder aufgeladen hat. Oder Freunde aus dem Libanon, Sudan und der übrigen Golfregion umringen ihn. Für sie ist Adnan, der Trainer der irakischen Olympia-Auswahl, ein Volksheld. Etwa 20 der 25 Millionen Landsleute feiern ihn und sein junges Team, das beim Asian Cup die Gruppe C überstanden hat und nun im Viertelfinale gegen Gastgeber China antritt.

Unter den ersten Gratulanten befand sich auch Bernd Stange aus Jena, der, bevor er vom Aus- wärtigen Amt und seinen Versicherungen vor sechs Wochen gezwungen wurde, den Posten als Cheftrainer in Bagdad zu verlassen, Adnans Vorgesetzter war. Auch aus Stanges Stimme spricht sehr viel Stolz, und wie erfreulich es doch gewesen sei, in der entscheidenden Partie 2:1 „gegen die reichen Saudis“ gesiegt zu haben. Doch obwohl der letzte Trainer der DDR-Auswahl 2002 alle Talente des Iran erfasst und parallel zur Nationalelf auch ein Olympiateam aufgebaut hatte („das ist die Zukunft“), gibt Stange jeden Kredit an den einstigen Assistenten weiter: „Dies ist Adnans Mannschaft und Adnans Meisterleistung.“

Denn dieser hagere Mann, der offensichtlich für alle Menschen ein freundliches Wort übrig hat, ließ sich nicht einmal von den Bomben, welche die amerikanische Luftwaffe auf Saddam Husseins Paläste regnen ließ, von seinem Traum abhalten. Adnan wollte mit seinen Männern nach Griechenland, und deshalb holte er sie auch während des Krieges auf den Fußballplatz. Seine Familie hatte er in seiner Heimatstadt Sammara, 100 Kilometer nördlich von Bagdad, in Sicherheit gebracht. Er selbst pendelte täglich zwischen der Metropole und der Provinz, und man glaubt ihm, wenn er erzählt, dass fast jeder Trip lebensgefährlich war. „Es wurde immer geschossen, und wir haben auch beim Training viele Bomben gesehen.“

Vom sportlichen Aspekt her ist jene Arbeit, die Adnan im Nachkriegs-Bagdad verrichtet hat, aber fast noch höher einzuschätzen. Unter widrigsten Umständen, auf steinharten Sandplätzen, ohne Duschen, bei riesiger Hitze und immer inmitten der politischen Wirren, zogen sie ihr Programm durch. In den vergangenen Monaten besserten sich die Verhältnisse, so Adnan, nachdem der Jugendminister die zügige Reparatur des Sha’ab-Stadions veranlasst hatte. Jene Arena in der Palästina-Straße von Bagdad, die weltweit berühmt wurde, weil sie von den US-Soldaten zur Panzer-Garage umfunktioniert worden war.

Eine optimale Vorbereitung sieht anders aus. Zumal Adnan nach Stanges Abschied gleich für zwei Teams und für zwei Turniere zuständig war. Also übernahm er die drei erfahrensten Spieler der Nationalelf, Profis in Katar, Iran und Syrien, in sein Olympia-Team, und beschloss, mit einer einzigen Mannschaft sowohl den Asien-Cup als auch die Spiele in Griechenland zu bestreiten. Zehn Tage Training in Bagdad, ein fünftägiges Camp in Bangkok mit einem einzigen Freundschaftsspiel gegen die thailändische U-23, mehr Zeit gab es nicht, um die neue Formation vernünftig einzuspielen.

Offenbar aber werden gute Teams häufig auch aus der Not geboren, und um den Geist seiner Truppe brauchte sich Adnan nach dieser Vorgeschichte keine Sorgen zu machen. Man sieht es ihnen schon an, dass sie nicht unbedingt zur Klientel jener Luxus-Hotels zählen, welche der asiatische Verband für seine Mannschaften ausgesucht hat – und selbstverständlich auch bezahlt. Die Spieler aus Bagdad kommen nicht so uniformiert daher wie etwa die Kollegen aus China, und sie tragen nicht die trendigen Sport-Klamotten eines weltbekannten Ausrüsters. Doch auch in den grünen T-Shirts eines kleineren Sponsors steckt unheimlich viel Selbstbewusstsein.

„Wir brauchen uns vor den Chinesen nicht zu verstecken“, sagt Adnan, „sicher sind die Favorit, aber man weiß ja, wie schwer sich Gastgeber oft tun.“ Iraks Trainer mag auch nicht damit kalkulieren, dass in Asien olympischer Ruhm mehr zählt als die kontinentalen Titelkämpfe und im Falle einer Niederlage am Freitag in Peking wenigstens noch ein kurzer Stopp in Bagdad bliebe. Ansonsten ginge es direkt von Peking aus nach Athen. Für die Menschen im Irak sei jeder Sieg wichtig, „wir sind ein fußballverrücktes Land – jetzt erst recht“. Adnan genießt es, Leute glücklich zu machen. Oder seinen Leuten eine Zukunft bieten zu können. Dazu gehört auch die Nachricht aus Deutschland, wonach ein Zweitligaklub starkes Interesse an dem wohl härtesten Abwehrspieler des Irak hat und den 28-jährigen Hajdar Abdul Jabar beobachten möchte. „Ich werde das Hajdar mitteilen“, sagt Adnan, „ich freue mich für ihn. Er wird darüber glücklich sein.“