Bomben erschüttern Bombay

In Zentrum von Indiens Wirtschaftsmetropole fordern zwei Anschläge über 40 Todesopfer. Die Täter bleiben zunächst unklar, Pakistan verurteilt die Anschläge sofort. Möglicherweise wachsende Spannungen zwischen radikalen Hindus und Muslimen

von SVEN HANSEN

Zwei Autobomben haben gestern Mittag in der indischen Metropole Bombay (offiziell Mumbai) über 40 Menschen getötet und mehr als 140 verletzt. Ein Anschlag ereignete sich nahe dem am Wasser gelegenen Gateway of India, dem kolonialen Wahrzeichen und Touristentreffpunkt der Stadt. Beinahe zeitgleich explodierte eine zweite, nach Polizeiangaben ebenfalls in einem Taxi deponierte Bombe bei einem Basar in der Nähe des Hindutempels Mumbadevi.

Zu den Anschlägen bekannte sich zunächst niemand. Pakistan verurteilte sie umgehend. Bombays Polizeichef R. S. Sharma vermutete Terroristen hinter den Anschlägen, ohne sich näher zu äußern. Berichte von zwei weiteren Anschlägen wurden zunächst nicht bestätigt.

Der Ort des Anschlags beim „Gateway of India“ im Süden der 15-Millionen-Stadt bot Augenzeugen zufolge ein Bild des Grauens. Gliedmaßen und verbrannte Körper lagen zwischen brennenden Autowracks, Blutlachen und Scherben. „Ich habe noch nie so etwas Schreckliches gesehen“, sagte der Arzt S. Manoj vom J. J. Hospital gegenüber AFP. Viele Menschen seien verletzt worden, als unter Passanten Panik ausgebrochen sei. Die Bombe zerstörte auch zahlreiche Fensterscheiben im benachbarten berühmten Luxushotel Taj Mahal.

Bombay ist Indiens Geschäfts- und Finanzmetropole. An der Börse brachen die Kurse nach den Anschlägen um drei Prozent (119 Indexpunkte) ein, stabilisierten sich dann aber. Berichten zufolge soll die Stadt inzwischen von der Polizei abgeriegelt worden sein, um eine mögliche Flucht der Täter zu verhindern. Auch in der Hauptstadt Delhi sollen die Sicherheitskräfte vorsichtshalber in Alarmbereitschaft versetzt worden sein.

Indiens verfeindeter Nachbar Pakistan, den die Regierung in Delhi in der Vergangenheit wiederholt für Anschläge militanter Islamisten in Indien verantwortlich gemacht hat, verurteilte die Bomben in Bombay umgehend. „Wir bedauern diese Anschläge, und wir sympathisieren mit den Opfern und ihren Familien“, erklärte der Sprecher des Außenministeriums in Islamabad, Masood Khan. „Wir verurteilen alle Akte von Terrorismus, und ich denke, so ein mutwilliges Zielen auf Zivilisten sollte in der am stärksten möglichen Form verurteilt werden.“

Zuletzt hatte sich das Verhältnis zwischen den beiden Atommächten Indien und Pakistan etwas entspannt und war von Versuchen dominiert, Wege zu einer Annäherung zu finden. Im vergangenen Jahr hatten beide Seiten noch kurz vor einem neuen Krieg gestanden. Indien und Pakistan führten bereits dreimal seit Erlangung der Unabhängigkeit 1947 gegeneinander Krieg.

Seit Dezember vergangenen Jahres hat es in Bombay immer wieder Bombenanschläge gegeben. Zuletzt wurden Ende Juli drei Menschen bei einem Anschlag auf einen Bus getötet. Die Polizei macht für die Anschläge die islamistische Gruppe Lashkar-e-Taiba („Herr der Reinen“) verantwortlich, die indischen Angaben zufolge von Pakistan aus operiert und hauptsächlich im indischen Teil Kaschmirs kämpft. Delhi macht die Gruppe auch mit für den Anschlag auf das indische Parlament im Dezember 2001 verantwortlich. Damals starben 15 Menschen.

Bombay war in den vergangenen Jahren schon mehrfach Schauplatz blutiger Auseinandersetzungen zwischen militanten Hindus und Muslimen, nachdem 1992 Hindufanatiker in der nördlichen Stadt Ayodhya die aus dem 16. Jahrhundert stammende Babri-Moschee zerstört hatten. Hindus vermuteten darunter die Ruinen eines Tempels des Hindu-Gottes Ram. Bei den folgenden Zusammenstößen zwischen Muslimen und Hindus, den schwersten Unruhen seit der Unabhängigkeit, wurden rund 2.000 Menschen getötet.

Kurz vor den gestrigen Anschlägen hatten Achäologen in der nordindischen Stadt Lucknow einen Bericht veröffentlicht, wonach unter der zerstörten Babri-Moschee tatsächlich die Überreste eines alten hinduistischen Tempels entdeckt wurden. Demnach befindet sich unter den Resten der Moschee eine „umfangreiche Struktur“, die bis ins 10. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann. Auf Trümmerresten seien unter anderem Malereien von Lotusblüten gefunden worden, einem hinduistischen Symbol.

Als mögliche Reaktion auf die Auseinandersetzungen 1992 gab es 1993 in Bombay eine Serie tödlicher Anschläge, für die radikale Muslime oder aber auch islamische Unterweltbosse verantwortlich gemacht wurden. Damals starben über 300 Personen bei 13 Anschlägen. Gestern zogen Regierungsvertreter jedoch keine Verbindung zwischen der Vorstellung des Berichts in Lucknow und den Bomben in Bombay und hielten sich auch mit den üblichen Vorwürfen gegen Pakistan zurück. (MIT RTR)