Man telefoniert noch miteinander

Neuer Knatsch in der Union: CSU-Chef Stoiber will Steuerkonzepte vorlegen; CDU-Chefin Merkel möchte auf Vorschläge der Regierung warten. Man übt sich in diplomatischen Umschreibungen für den Streit. Merkel erkennt „Prozesse auf der Zeitachse“

aus Berlin LUKAS WALLRAFF

Ist das nun ein ein ernster Krach oder nur eine kurze Meinungsverschiedenheit, was sich zwischen den beiden Unionsschwestern CDU und CSU abspielt? Nicht zu übersehen war gestern jedenfalls die neue Distanz zwischen der Christdemokratin Angela Merkel und ihrem christsozialen Kollegen Edmund Stoiber, die bis vor kurzem noch Seit an Seit gegen den hessischen Steuerreformblockierer Roland Koch zu schreiten schienen.

Ja, sie habe gestern früh „mit dem bayerischen Ministerpräsidenten“ telefoniert, antwortete Merkel betont unterkühlt, als sie auf die neuesten Steuervorschläge ihres Münchner Kollegen angesprochen wurde. Aber nur, weil man „sowieso telefoniert“ habe. Am Thema Steuern, das war klar, schieden sich die Geister, und das ließ sich auch am Telefon nicht ändern. Der Konflikt über die Strategie der Union in der Steuerpolitik ist da, und auch Merkel fiel nichts mehr ein, um ihn irgendwie zum Missverständnis schönzureden.

Zu deutlich hatten sich Merkel und Stoiber öffentlich widersprochen. Beide wurden am Wochenende danach befragt, ob die Union eigene Vorschläge zur Finanzierung der Steuerreform machen sollte. Merkels Antwort im Spiegel: „Die Regierung muss liefern, nicht die Opposition.“ Stoibers Antwort in der Financial Times Deutschland: Wenn die Regierung nichts Brauchbares vorlegen könne, „wird die Union im Gesetzgebungsverfahren selbst Vorschläge unterbreiten“. Damit tanzte Stoiber bewusst aus den Reihen der Union, die sich noch letzte Woche aufs Abwarten geeinigt hatte. Die beschlossen hatte, eine Zustimmung zum Vorziehen der Steuerreform könne es nur geben, wenn die Regierung akzeptable Konzepte präsentiere. Merkel betonte immer wieder, bei der Aufgabenteilung zwischen Regierung und Opposition müsse es bleiben. Punkt. Und: „Wer Projekte vorschlägt“, der müsse auch sagen, „wie es gehen kann“. Und nun kommt Stoiber und legt sich fest: Die populäre Steuersenkung kommt auf jeden Fall – wenn die Regierung nicht sagt, wie, dann machen wir’s.

Merkel weiß natürlich, dass Stoiber zurzeit vor allem daran denkt, dass er seine Landtagswahl (hoch) gewinnen möchte. Deshalb verzichtete sie auf böse Worte in Richtung München – und beließ es bei sachlich trockener Distanzierung. „Der CSU-Vorsitzende spricht für die CSU“, stellte Merkel fest. In der CDU-Vorstandssitzung habe man sich jedoch geeinigt, „dass es keinen Grund gibt, von unserer Meinung abzuweichen“. Die CDU bleibe dabei: Bevor man über eine Zustimmung zur rot-grünen Steuerreform reden könne, müsse die rot-grüne Regierung ein „seriöses“ Finanzierungskonzept auf den Tisch legen. „Davon rücke ich und davon rückt die CDU nicht ab.“ Klare Worte? Na ja. Merkel hielt sich wie meist ein Türchen offen. Es gehe bei dem Streit nicht um grundsätzliche Fragen, schob sie später nach, sondern „um Prozesse auf der Zeitachse“. Während Stoiber über etwas gesprochen habe, „was irgendwann einmal eintreten könnte“ (nämlich ein eigener Unions-Vorschlag), gehöre sie „zu den Menschen, die erst mal die nächsten Tage überblicken“.