strompreis
: Wettbewerb ohne Regeln

Die Bundesregierung hat gestern ein neues Energiewirtschaftsgesetz beschlossen. Und besonders der federführende Wirtschaftsminister feiert sein Werk. Die vom Gesetz vorgesehene Regulierungsbehörde werde dauerhaft wettbewerbsfähige Strom- und Gaspreise sicherstellen, so Wolfgang Clement. Wenn er da mal nicht irrt. Denn nicht der Schiedsrichter definiert die Fairness. Sondern die Regeln.

KOMMENTAR VON NICK REIMER

Und die sind noch nicht geschrieben. Was gestern beschlossen wurde, ist erstens nur der Rahmen, in dem die Regeln festgelegt werden sollen. Und dieser Rahmen ist zweitens relativ irrelevant. Das Energiewirtschaftsgesetz ist nämlich im Bundesrat zustimmungspflichtig. Und diverse CDU-Landeschefs fordern, die – O-Ton Clement – schlanke Regulierung wesentlich zu verschärfen.

Völlig zu Recht: Deutschland hat als einziges großes EU-Mitglied den Wettbewerb auf dem Energiemarkt durch Selbstverpflichtungen der Wirtschaft geregelt. Ein Blick auf den Strompreis zeigt, wie schlecht das in der Praxis funktioniert: Wir zahlen heute mehr als vor der Liberalisierung. Gerne versuchen die Stromkonzerne, deren Gewinne Jahr für Jahr zweistellig wachsen, uns für dumm zu verkaufen: Der hohe Energiepreis liege am politisch gewollten Ausbau regenerativer Energien.

Schiedsrichter, sei wachsam: Tatsächlich kassiert niemand in der Europäischen Union seine Kunden für den Stromtransport so rigoros ab wie die deutschen Konzerne. In Zahlen ausgedrückt: Von rund 18 Cent, die uns eine Kilowattstunde kostet, entfallen im Schnitt 8 Cent auf die Durchleitung. Der Ausbau grüner Energie schlägt dagegen nur mit einem halben Cent zu Buche.

Dass sich die Landesfürsten der Union gegen das gestern beschlossene Gesetz aussprechen, ist löblich. Während nämlich auf dem Telekommunikationsmarkt eine so genannte Ex-ante-Regulierung herrscht – Durchleitungsgebühren müssen vorab genehmigt werden –, sieht das Gesetz auf dem Energiemarkt eine Ex-post-Regulierung vor. Heißt konkret: Man darf sich gern hinterher beschweren – wenn man gezahlt hat.

Klar ist, dass mit der Regulierungsbehörde auch mehr Bürokratie kommen wird. Die wird sich aber nur auszahlen, wenn einer der entscheidenden Faktoren des Wirtschaftsstandortes spürbar gedrückt wird: der Strompreis. Mit dem gestern beschlossenen Gesetz ist das nicht zu erwarten.

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