Sander riskiert 750.000 Euro – täglich

Neues Ungemach für Niedersachsens Umweltminister: Die zwei Offshore-Windparks vor der Küste könnten verdammt teuer werden, weil sie die europäische Vogelschutzrichtlinie verletzen, warnen Rechtsexperten. Spielräume lasse diese kaum

aus Hannover Kai Schöneberg

Mit Hängen und Würgen versucht Finanzminister Eichel sich derzeit um Strafzahlungen an die EU zu drücken, weil Deutschland seit Jahren die Defizit-Kriterien reißt. Ähnlich drakonische Bußgelder drohen Deutschland aber auch wegen nicht bei der EU gemeldeter Vogelschutzgebiete. Die Strafen könnten sich auf 750.000 Euro täglich belaufen, wenn geeignete Areale nicht gemeldet oder sogar durch Windkraftanlagen gestört würden, sagt der EU-Naturrechtsexperte Matthias Schreiber. Ein dicker Batzen, den Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) zu verantworten hätte.

Pikant dabei: Sander ist offensichtlich gerade von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) dazu verdonnert worden, den Betreibern von Offshore-Windanlagen den Weg frei zu räumen. Immerhin geht es bei den zwei vor der niedersächsischen Küste geplanten Pilotanlagen Borkum-Riffgat und Nordergründe um Investitionen in Höhe von insgesamt 750 Millionen Euro – und um viele Arbeitsplätze. Die Strafen aus Brüssel könnten sich allerdings auf deutlich höhere Beträge summieren.

Den Windmühlen drohen viele Stolperstricke. Gerade prüft Sanders Ressort, ob nicht auch Schweinswale den Windspargeln den Garaus machen könnten. Noch gefährlicher könnten den Mühlen indes die Vögel werden. Weil ein von der Landesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten der Universität Kiel zu dem Schluss kommt, man müsse fast die gesamte 12-Seemeilenzone vor der niedersächsischen Küste zum Vogelschutzgebiet erklären, will Sander jetzt einen Gegengutachter ernennen, der „ergebnisoffen“ prüfen soll.

„Ich beobachte das staunend“, sagt Schreiber. Der Gutachter aus Bramsche hat nicht nur für das Bundesumweltministerium Expertisen über Vogelschutzgebiete erstellt. Schreiber betont auch, dass die EU-Mitgliedstaaten bei der Meldung von Vogelschutzgebieten „nur einen sehr kleinen Spielraum“ hätten. Es wundere ihn, dass sich die Offshore-Investoren „weiter auf den Rückenwind durch die Politik verlassen und in Gebiete, die unter Fachleuten unstrittig sind, hineinplanen“. Alfred Schumm vom WWF hat das Gutachten schon gesehen: „Die Studie der Uni Kiel bedeutet nach EU-Vorgaben ganz klar, dass hier ein Vogelschutzgebiet hin muss“.

Die Niederlande haben wegen der Piepmätze bereits ihre Offshore-Pläne vor der Küste drastisch reduziert. Und auch gegen die Bundesrepublik läuft bereits seit zwei Jahren ein EU-Verfahren wegen Verletzung der Vogelschutzrichtlinie, in dem es auch um das niedersächsische Küstengebiet geht. Im Umweltministerium in Hannover weiß man davon nichts. Die EU habe keine Vogelschutz-Kriterien für Meeresgebiete vorgegeben, betont eine Sprecherin. Die Rechtslage stehe eindeutig gegen die Niedersachsen, sagt Umweltrechts-Experte Schreiber. Schon bei den FFH-Gebieten ist Deutschland verklagt worden, weil vor allem Niedersachsen nur sehr zögerlich gemeldet hatte. Beim Vogelschutz ist die Sache noch nicht so weit, aber es droht ein ähnliches Szenario. „Wir werfen der Landesregierung grandiose Blindheit und Faktenscheue vor“, sagt WWF-Mann Schumm. Klagen könnten als Betroffene die Inseln, die Angst haben, dass ihnen die Telespargel die Touristen vergraulen, sagt Schreiber. Und: „Die Gemeinden dort haben gute Chancen, beide Windparks zu stoppen“.