Locken für die Ewigkeit

Welleisen, Flechtmaschinen, Trophäenbücher, Liebesbriefe und andere Skurrilitäten präsentiert die aktuelle Ausstellung „Ein Hauch von Ewigkeit – Haarkult im 19. Jahrhundert und heute“ im Altonaer Museum

Ein bisschen Haarkult ist ja schön, und Haarpflege gehört einfach dazu, aber das geht entschieden zu weit: Die Manie des anonymen Soldaten, der die Haarlocken seiner wechselnden Geliebten samt Kommentaren über ihre Liebeskünste in ein eigens dafür angelegtes Album klebte, kann nur als legendär bezeichnet werden. Und doch gibt es dieses Album wirklich, in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts entstanden – und jetzt zu sehen bei der Ausstellung Ein Hauch von Ewigkeit – Haarkult im 19. Jahrhundert und heute im Museum Altona.

Hinter der Manie, die Haare der Ex-Geliebten in einem Trophäenbuch zu sammeln, mag die antike Vorstellung stecken, dass sich im Haar der Sitz der Lebenskraft befinde. Die wohl älteste gefundene Haarsträhne stammt vom ägyptischen König Teje und wurde im Grab des Tutenchamun gefunden. Doch die Altonaer Schau hat noch mehr Schrulliges zu bieten: das erste Dauerwellgerät für Holzwickler aus dem Jahr 1908 etwa – die Prozedur der Dauerondulation dauerte damals noch mehrere Stunden. Gewobene, geflochtene oder geklöppelte Trauerketten und Ringe aus Haaren der Verstorbenen, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts im biedermeierlichen Bürgertum immer beliebter wurden, gehören dabei wie Lockeneisen, Welleisen, Haarschneideapparate und Haarflechtmaschinen, Haarnadeln und Haartrockner zu den harmlosen Exponaten. Wandbilder aus Haaren, die zum Beispiel ein Reh darstellen, gehen schon eher an die Grenze des guten Geschmacks.

Das Haar als Erinnerungsträger an geliebte lebende Menschen oder Verstorbene – die in Blumenformen gestalteten Haarbilder etwa – verlor um 1900 mit der Verbreitung der Fotografie an Popularität . Auch die Sitte, Schmuck aus Haaren zu tragen, hat sich nicht halten können. Kleine Liebesbriefe mit Haarlocken – die Schauzeigt ein Exemplar von 1837 – sind dagegen bis heute ein Ausdruck der beseelten Zuneigung.

Aber warum eigentlich der ganze Lärm ums Haar? Dass Haare ein Atavismus sind, haben uns die Biologen doch schon lange erklärt. Trotzdem ergötzte sich das 19. Jahrhundert am Haarkult, und noch heute wenden die Menschen rund 19 Minuten täglich für die Haarpflege auf. Ein großes Haargedenkbild aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigt übrigens zwei Zöpfe einer jung Verstorbenen, die nach ihrem Tod zum Kreis geflochten wurden. Einen Hauch von Ewigkeit birgt auch das Zitat der anonymen Studentin, 28 Jahre: „Die sonnengebleichten Flachshaare meines Prinzen hebe ich, mit einem Satinband gebunden, in einer silbernen Schatzdose auf.“ MARC PESCHKE

Di–So 11–18 Uhr, Altonaer Museum, Museumsstraße 23; bis 12.10.