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: Habemus Klinsmann!

Die Rolle, in der Jürgen Klinsmann den deutschen Fußball sanieren will, ist auf die des Bundestrainers geschrumpft. Zur Seite steht ihm Oliver Bierhoff als Manager

Es ist vollbracht. Weißer Rauch stieg zwar vorsichtshalber nicht auf aus der DFB-Zentrale – das hätte zu sehr nach qualmenden Ruinen ausgesehen – aber dafür wurde gestern nun endgültig jener Mann präsentiert, der die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bis zur WM 2006 in eine respektable Verfassung bringen soll. Es handelt sich nicht ganz unerwartet um Jürgen Klinsmann, den man künftig aber keineswegs mit Eure Heiligkeit, Eminenz oder gar Teamchef ansprechen muss. „Bundestrainer“ reicht.

Der schmucklose Titel, den sich der nach langen Verhandlungen vom Deutschen Fußball-Bund erkorene Hoffnungsträger zugelegt hat, illustriert sehr schön die Bescheidenheit des Modells, das der DFB gestern als Lösung seines Dilemmas vorstellte. Verpflichtet wurde in der Person von Klinsmann und dem neuen Manager Oliver Bierhoff vor allem geballter Optimismus in Tateinheit mit einer gewissen Portion Euphorie. Von den großen Reformvorhaben, die zunächst im Raume standen, ist nicht mehr viel übrig geblieben, etwas kleinlaut und auf einigen rhetorischen Umwegen musste Klinsmann erst einmal einräumen, nicht allzu viel über die aktuelle Situation im deutschen Fußball gewusst zu haben. Vom ursprünglichen Modell eines Teamchefs Klinsmann mit weitreichenden administrativen Kompetenzen, dem ein gestandener Bundestrainer für das Fußballfachliche zur Seite steht, ist keine Rede mehr, nun wird ein Kotrainer gesucht, der unter dem Bundestrainer Klinsmann arbeitet. Kaum zu erwarten, dass sich ein renommierter Coach dafür hergibt.

DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder versuchte mit schwülstigen Worten, das neue Modell zu verteidigen, konnte aber kaum die stattgefundene Ernüchterung (!) verschleiern. Nachdem den ehrenwerten Trainerfindern ihr sanftes Ruhekissen Ottmar Hitzfeld von diesem selbst rüde unter dem Hintern weggezogen worden war, hatten sie sich zunehmend vom Gedanken verabschieden müssen, eine große internationale Nummer wie Wenger, Hiddink, Olsen oder, nun ja, Rehhagel für sich gewinnen zu können. Es sei nicht möglich gewesen, einen Mann zu finden, der den Anforderungen entspricht, musste Mayer-Vorfelder gestern zugeben, deshalb habe man sich für ein Team entschieden. Nicht gerade schmeichelhaft für Klinsmann, der damit aber, wie mit fast allem, „keine Probleme“ hatte.

Nicht verbergen konnten die vielen schönen Worte, dass sich der DFB einen Manager gesucht hat, der keinerlei Managererfahrung hat, und einen Bundestrainer, der keinerlei Trainererfahrung besitzt. Andererseits: Was soll schon kaputt gehen? Das Projekt ist auf zwei Jahre begrenzt und erklärtes Ziel längst nicht mehr der Umsturz, sondern „dass die Mannschaft gut spielt“ (Bierhoff). Realistisch betrachtet, könnte der neue Bundestrainer schon zufrieden sein, wenn das DFB-Team bei der WM 2006 drei akzeptable Vorrundenspiele liefert. Doch Klinsmann will mehr. „Das Ziel ist, 2006 Weltmeister zu werden“, sagt er kühn und macht sich mit solchen Äußerungen angreifbarer als sein Vorgänger Rudi Völler, der beharrlich zur Bescheidenheit mahnte.

Noch ein anderer Aspekt drängte sich auf, als Jürgen Klinsmann so eloquent über seine Erfolge in den letzten Jahren als Geschäftsmann, Organisator und Berater sprach. Zunehmend keimte der Verdacht, dass man ihm schlicht den falschen Job gegeben hat. Als DFB-Präsident wäre er ganz gewiss unschlagbar.

MATTI LIESKE