US-AMERIKANISCHE PARTEITAGE SIND SHOWS – ABER RICHTIG GUTE
: Alles für die Motivation

Amerikanische Parteikonvente werden in Europa gerne verspottet. Sie gelten als reine Show-Veranstaltungen. Luftballons, Konfettisalven und Musikeinlagen hätten in der ernsthaften Politik nichts verloren, meinen die Puristen.

Keine Frage: It’s all about show. Während der viertägigen Delegiertenversammlung der Demokraten in Boston wird nichts dem Zufall überlassen. Der Ablauf wurde von PR-Experten und Hollywood-Regisseuren minutiös geplant. Das Fernsehen diktierte den Zeitplan. Die Dramaturgie ist perfekt: Alles ist auf die Gefühle der Delegierten und Fernsehzuschauer ausgerichtet. Selbst Überraschungen sind von langer Hand vorbereitet. Spontaneität ist aus dem Drehbuch gestrichen. Die Ironie dabei ist: Ausgerechnet die TV-Stationen finden an der Gala keinen Gefallen mehr. Sie sei zu berechenbar und uninteressant geworden, jammern sie und kürzen die Sendezeiten auf insgesamt drei Stunden pro Tag zusammen.

Doch welcher deutsche Sender unterbricht schon den „Tatort“ oder das „Traumschiff“, damit das Volk beim Parteitag live dabei sein kann? Etwa um das verstaubte Protokoll eines SPD-Parteitags mitzuerleben, die gähnenden Reden, endlosen Anträge auf Änderungen der Tagesordnung und Berichte von Satzungskommissionen?

Dann doch lieber politisches Theater aus den Vereinigten Staaten, wo die Choreografen ihr Handwerk verstehen, die Reden zuweilen mitreißend sind, neue Stars immer wieder für Aufregung sorgen, Delegierte begeistert auf den Stühlen tanzen, sich mit bunten Kostümen selbst nicht so ernst nehmen und man in den Pausen Zuschauer aus Alaska, Guam, New Orleans, Japan und Deutschland trifft.

Fällt dann der Vorhang, strömen die Delegierten meist inspiriert zu den Partys und Meetings hinter der Bühne. Hier, wo keine Kameras mehr dabei sind, wird hautnah Politik gemacht. Hier versteht man dann auch, wie wichtig Emotionen und eine gute Show sind. In einem Land, in dem es keine Parteikassen und Ortsvereine gibt, zählt vor allem die Motivation des Einzelnen. MICHAEL STRECK