Im Norden steigt Normalnull

ExtremWetterKongress in Bremerhaven: Erhöhter Meeresspiegel und Starkwinde werden Nordsee-Sturmfluten bis Ende des Jahrhunderts extremer machen. Den Küstenschutz schätzen die Experten als sicher ein – zumindest bis 2030

„Vor allem im Winter werden wir stärkere Stürme bekommen“, sagt Insa Meinke

Klimawandel für Küstenbewohner: Der ExtremWetterKongress beleuchtete am Wochenende in Bremerhaven nicht nur die globalen Effekte der Klimakatastrophe. Auch für spezifische Interessen der Bewohner diesseits norddeutscher Deiche war Platz: Im Fokus stand dabei, wie sich Sturmflut- und Hochwassergefahr für die Nordsee in Zukunft entwickeln. Hier wie auch im großen Ganzen gilt: Kommt darauf an, wie der Mensch bis Ende des Jahrhunderts weitermacht.

Was durchaus abgegeben werden konnte, waren Wasserstandsmeldungen, und das nicht nur im übertragenen Sinn: „Wenn wir hier die Nordsee sehen“, sagt etwa Insa Meinke vom Norddeutschen Klimabüro Geesthacht, „dann wird sie in hundert Jahren etwa einen halben Meter höher sein.“ Sie beschäftigt sich seit 2006 mit Meeresentwicklung und Sturmflutgefahr im norddeutschen Raum. Für Hamburg geht man – bei gleich bleibendem CO2-Ausstoß – von 60 bis 80 Zentimeter Anhebung des Wasserstandes bis zum Jahr 2100 aus.

Sind die Experten bezüglich steigender Pegel einigermaßen einig, wird die Entwicklung der Windstärken für unberechenbarer gehalten: „Wir gehen davon aus“, so Meinke, „dass die Westwinde, die für die Sturmfluten hier im Norden verantwortlich sind, sich in den nächsten hundert Jahren intensivieren werden.“

Das Geesthachter Institut hält den Küstenschutz in seiner derzeitigen Form aber bis 2030 für ausreichend. Speziell in Hamburg habe man durch die Erinnerung an 1962 „ein offenes Ohr“, sagt Meinke, hier seien ja auch schon die Deiche erhöht worden. Gegen Ende dieses Jahrhunderts dürften diese Maßnahmen dann kaum noch ausreichen; das betreffe die gesamte Nordseeküste gleichermaßen. „Vor allem im Winter werden wir hier stärkere Stürme bekommen“, sagt Meinke.

Was die Binnengewässer und Flüsse betrifft, sieht die Expertin eine zusätzliche Gefahr in Folge vermehrter und extremerer Niederschläge. „Ich kann nur immer wieder betonen, dass wir mit sehr viel mehr Regen im Winter rechnen“, sagt Meinke. „Für regenwassergespeiste Flüsse wie die Wümme wird sich die Hochwassersituation zuspitzen. Früher oder später werde man flächendeckend satellitengesteuerte Karten einführen müssen, die unter ständiger Kontrolle stünden, sagt Franz Jaskolla, dessen Arbeitgeber, die Firma Infoterra, „Geoinformationsprodukte und -dienste“ anbietet.

Im Weiteren widmeten sich in Bremerhaven die Kongressbeiträge dann Themen, die für Küstenbewohner und Plattländer von eher nachrangigem Interesse waren: Um Sonnenflecken und gar Sonnenstürme ging es da – ein Terrain, das dem Norddeutschen an sich ja eher fremd ist. JENS UTHOFF