Angst essen Hollywood auf

Vom Autoren- zum Autofilm: Gemeinsam ziehen sich Blech und Zelluloid aus der Krise

Eine junge Regiegeneration sucht ihr Heil in Remakes erfolgreicher Kassenknüller

Quo vadis, deutscher Film? Arg häufen sich die Klagen der Kinobesitzer: quengelnde Larmoyanz und cineastisches Trübsalbläsertum vergraule die Zuschauer und treibe sie in die amerikanische Blockbusterhölle. Vorbei die Zeiten, als kühne Avantgardefilme und elegante Komödien den Ruhm deutscher Lichtbildnerei begründeten. Heute sind es eher tiefsinnige Kino-Grübeleien, die einzig ob ihrer fortgeschrittenen Gähntechnik zu rühmen sind.

Ähnlich desolat die Lage der deutschen Autoindustrie: Veraltete Modellpaletten, Überproduktion sowie chronisch klemmende Aschenbecher in der unteren Mittelklasse machen den Autofirmen schwer zu schaffen. Dabei gebe es einen Weg aus der Krise: Eine strategische Partnerschaft zwischen Blech und Zelluloid könnte für beide Branchen die Lösung sein. Synergieeffekte, Image-Transfer und Corporate Debility heißen die Trends der Stunde. Geheimdokumente, die der Wahrheit zugespielt wurden, belegen, dass die Überlegungen der Macher schon weit gediehen sind.

Anders als in den Fünfzigerjahren, als es schon einmal eine Phase fruchtbarer Zusammenarbeit gab – wer erinnert sich nicht gern an Klassiker wie den „Förster im Silberpfeil“ oder die „Goggo-Girls auf dem Großglockner“? –, sucht eine junge Regiegeneration ihr Heil in Remakes erfolgreicher Kassenknüller. Hier eine Vorschau auf die Filme, die auf dem Unterhaltungs-Highway der Zukunft das Rennen und der Autoindustrie „Beine“ machen sollen:

In dem leichtfüßigen Musical „Ford Fiesta – Flamenco-Tankwart“ geht es um die Liebe im Dunstkreis der Zapfsäulen. Als die russische Sängerin Olga Kolchoskaja mit ihrem Lada auf der Autobahn liegen bleibt, wird sie von Ford Fiesta, dem Tankwart einer nahe gelegenen Raststätte, abgeschleppt. Ford verliebt sich sofort in die rassige Mezzosopranistin und lädt sie zu einer Besichtigung seiner Fina-Tankstelle ein. Dort übt er die Kunst des fachgerechten Betankens mit der Eleganz eines sandalusischen Flamenco-Tänzers aus. Den Höhepunkt erreicht der Film, wenn Ford, um Olga zu imponieren, in einem atemberaubenden „Fina“-le drei Autos gleichzeitig abfertigt. Nur Pech, dass er dabei Olgas Lada mit Diesel betankt …

„Der Feind in meiner Corvette“ ist eine Lean-Produktion aus den Rüsselsheimer GM-Studios. Die Just-in-time-Anlieferung der einzelnen Szenen, die von spezialisierten Dramaturgie-Teams in europäischen Billiglohnländern geschrieben wurden, ermöglichte eine äußerst kostengünstige Herstellung dieses packenden Eifersuchtsdramas um einen feurigen Spanier, der in seiner Corvette Marlies, eine bildhübsche Opel-Datentypistin, mitnimmt und sie erst zu einem Haferl Kaffee, dann zur Preisgabe von Firmengeheimnissen verführt, bis sie ihm restlos verfallen ist. José Maria Gomez, so der Name des automobilen Schwerenöters, denkt aber nicht im Traum daran, Marlies treu zu bleiben, lebt er doch längst mit Gudrun, einem blonden Wolfsburger „Käfer“, in glücklicher Scheinehe …

Erst kam „Der Pate“, jetzt kommt „Die Rate“. In diesem Leasing-Thriller der S-Klasse geht es um die Machenschaften der osteuropäischen Autoschiebermafia. Keine elektronische Wegfahrsperre ist vor dem Zugriff der Bande sicher, keine Warnanlage kann sie schrecken, keine blockierende Antischlupfregelung hält sie von ihren kriminellen Machenschaften ab. Bis Repo-Man Horst Gütlich von der Hamburg-Mannheimer auf sie angesetzt wird. Der deutsche Rückholprofi kommt den osteuropäischen PS-Freaks alsbald auf die Schliche und leiert ihnen in einem furiosen Restzahlungsfinale die fehlenden Leasing-Raten aus den Rippen.

Held des Autobahngebühren-Thrillers „Harald und Maut“ ist Lasterfahrer Harald, dessen satellitengestützter Mautcomputer abstürzt, weshalb er sich sein Pickerl aus dem Automaten ziehen muss. Doch das Rasthaus im Spessart erweist sich als echte Autobahnfalle: Der Automat ist defekt, die Currywurst lauwarm, der Kaffee kalt. Harald ist stinksauer. Als ihm Igor, ein ukrainischer Lkw-Fahrer, eine Vignette „für serr gutte Preis“ anbietet und Harald auf den Schwarzhandel eingeht, ist die Fahrt ins Verderben vorprogrammiert.

Und wenn dann im Herbst auch noch „Touran, der Barbar“ über deutsche Leinwände heizt, dann ist die Krise der deutschen Film- und Autowirtschaft wohl endgültig Matsch von gestern.

RÜDIGER KIND