la vie parisienne
: FRANK KETTERER über den gemeinen Berichterstatter

Dauerlauf ohne Kaffee

Das mal nur so nebenbei, damit in der Heimat nicht der falsche Eindruck entsteht und das jetzt ein für allemal geklärt ist: So eine Weltmeisterschaft ist kein Vergnügen, sondern harte Arbeit, und das nicht nur für die Athleten (für die schon auch), sondern vor allem für: Journalisten. In Paris zum Beispiel hat man das Pressezentrum, ein großes weißes mit grünem Teppichboden ausgelegtes Zelt, in dem ein paar hundert Berichterstatter von morgens um acht bis nachts um elf wild auf ihre Laptops einhämmern, gut 800 Meter entfernt von ihren Plätzen im Stadion, wo sie dem Geschehen beiwohnen können, über das sie berichten sollen, aufgebaut. 800 Meter, das sind, nur so zum Vergleich, zwei Runden auf der Bahn, die jeder Berichterstatter ein paar Mal am Tag zwischen Schreibgerät und Tribünenplatz zurückzulegen hat; und wenn man bedenkt, dass beispielsweise der deutsche 400-m-Läufer Ingo Schultz in seinem Zwischenlauf schon nach 300 m platt war wie eine Flunder und – nimmt man die durchschnittliche Wochenleistung eines Reporters – der ausgestiegene Langstreckenläufer Dieter Baumann kaum mehr Meter zurückgelegt hat hier in Paris, dann weiß man, was für eine bestaunenswürdige Leistung all die Medienschaffenden hier permanent erbringen müssen.

Wobei man das ja gewohnt ist – und die meisten Kollegen ohnehin bestens präpariert zu dieser WM gekommen sind, physisch wie psychisch gestählt, ist schließlich der Saisonhöhepunkt. Nicht eingestellt waren sie hingegen auf den Umstand, dass ihnen die Nahrungsaufnahme verweigert wird, Elektrolyte, Kohlehydrate, Eiweiß – das ganze Zeugs eben, das der hochgezüchtete Körper braucht, um permanent im Grenzbereich arbeiten zu können. Der Kiosk mit den Baguettes vor dem Pressezentrum jedenfalls hatte gestern bis halb fünf geschlossen, der Chips-Automat drinnen nahm das Geld nicht an – und zu McDonald’s ist es fast noch weiter als zu den Plätzen im Stadion, außerdem muss man ja immer auch an das üble Abholzen der Regenwälder denken. Doch damit nicht genug: Selbst Kaffee war gestern im Pressezentrum bis spät am Nachmittag nicht erhältlich, weder frisch gebrüht und umsonst, wie ihn der gemeine Reporter am liebsten in sich hineinschüttet, noch gegen Bares aus dem Automaten. Ein Journalist ohne Kaffee aber ist wie ein 100-Meter-Finale ohne amerikanischen Sieger. Aber das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte …