Seiten des Aufruhrs

Gestern Propaganda, heute Zeitdokument: 1989.dra.de macht Beiträge des DDR-Fernsehens online zugänglich

Vor der Wende gab es für Westdeutsche keinen Grund, DDR-Fernsehen zu gucken. 20 Jahre später sind aus der sozialistischen Propaganda der „Aktuellen Kamera“ jedoch aufschlussreiche Zeitdokumente geworden – seit Kurzem abrufbar unter 1989.dra.de.

Anhand der Bestände des Rundfunks und des Fernsehens der DDR will das Deutsche Rundfunkarchiv Babelsberg den Jahren 1989 und 1990 ein spezifisches Gesicht geben. Eines, das die Wendezeit aus DDR-Perspektive zeigt. „Kleinere Angebote dieser Art gab’s auch schon vorher, dass man den Schwerpunkt auf DDR-Medien und ihre Berichterstattung legt, ist aber neu“, erklärt die zuständige Abteilungsleiterin Angelika Hörth.

Jeder einzelne Tag ist angeführt. Klickt man sich durch die Monate, fällt allerdings auf: Tage, die mit einer Quelle versehen sind, machen sich doch noch sehr rar. Im Februar 1989 gibt’s etwa nur einen Eintrag. Am 6. 2. wurde Chris Gueffroy erschossen. Er war das letzte Maueropfer. „Wir haben nur diese Ereignisse aufgelistet, die für die Entwicklung hin zum späteren Mauerfall auch wirklich relevant waren“, sagt Hörth. Zudem gebe es einfach auch Aufzeichnungs- und Archivlücken, sodass man zu manchen Geschehnissen eben auch keine Quelle habe: „Das war ja auch eine Wild-West-Zeit damals.“

Bislang ist nur das Jahr 1989 online, mit 1990 wolle man aber im Mai fertig sein. Die Anzahl der Ereignisse 1990 werde der von 1989 ähneln, nimmt Hörth an, die mit dem Angebot der zum Mauerfalljubiläum verstärkten Nachfrage nach Archivmaterial nachkommen wollte.

Das Archiv ist in drei verschiedene Chroniken unterteilt: Politik, Fernsehen und Sport. Beim Dezember-Sport erfährt man dann etwa, dass Andreas Thom der erste DDR-Fußballer war, der nach dem Mauerfall einen Profivertrag mit einem westdeutschen Verein unterschrieben hat. Für 1990 soll es die zusätzliche Rubrik „Alltag“ geben.

Auch wenn die Seite noch nicht vollständig ist, die Intention ist bereits erkennbar: Man soll die Wendezeit aus Perspektive der DDR-Zuschauer nachvollziehen können, soll sehen, was sie sahen und was eben nicht – zumindest nicht im DDR-Fernsehen. PHILIPP BRUGNER