Triumph für Ruandas Präsident

Paul Kagame gewinnt Ruandas erste freie Präsidentenwahlen mit bisher über 90 Prozent der Stimmen. Das Volk befolgt den Wunsch der Regierenden, nicht mehr als Hutu oder Tutsi abzustimmen. Kagames Hauptgegner will Wahlergebnis anfechten

aus Kigali DOMINIC JOHNSON

Die Feiern begannen am Abend und dauerten die ganze Nacht. Ruandas regierende Ruandische Patriotische Front (RPF) zelebrierte den gigantischen Wahlsieg von Staatschef Paul Kagame mit hupenden Autokonvois der neureichen ruandischen Mittelklassejugend und offenen Lastwagen voller singender Parteiaktivisten. Im zur Partyarena umfunktionierten Sportstadion der Hauptstadt Kigali trat Kagame mitten in der Nacht vor jubelnde Anhänger und dankte dem Land für seinen Sieg.

Etwas nach ein Uhr in der Nacht zu gestern hatte Chrysologue Karangwa, Präsident der Wahlkommission, Kagame 94,3 Prozent der bis dahin ausgezählten Stimmen der Präsidentschaftswahl vom Montag gegeben. Kagames Hauptgegner, der als Unabhängiger angetretene Expremier Faustin Twagiramungu, kam demnach nur auf 3,5 Prozent. Der dritte Kandidat, Jean-Nepomuscene Nayinzira, auf 1,2 Prozent. Die vierte Kandidatin, Alivera Mukabaramba, hatte sich am Sonntag zurückgezogen und zur Wahl Kagames aufgerufen.

Die Teilergebnisse beziehen sich auf 51 der 106 Distrikte Ruandas. Noch nicht fertig ausgezählt waren bis gestern früh nach unabhängigen Angaben entlegenere ländliche Regionen, in denen mehr Stimmen für Twagiramungu erwartet werden. Nach inoffiziellen Angaben aus Kreisen der Wahlkommission soll Twagiramungu aber nur in zwei der 11.350 Wahllokale an erster Stelle liegen.

Am Vorabend der Wahl hatte die RPF-Wahlkampfleitung gegenüber Journalisten gesagt, sie wäre mit „70 bis 75 Prozent“ für Kagame zufrieden. Damit ist das zentrale Kalkül des Präsidenten aufgegangen: Ruandas Bevölkerung dazu zu bringen, jenseits der althergebrachten Spaltung zwischen Hutu und Tutsi gemeinsam für einen Kandidaten zu stimmen. Im Wahlkampf hatte die RPF-Wahlmaschine den Gegner Twagiramungu, einen Hutu, als Kandidat der ethnischen Spaltung portätiert. Gegen Ende der letzten Woche war es zu mehreren gewaltsamen Zwischenfällen zwischen Aktivisten beider Lager gekommen. Am Wahlmorgen meldete der Staatsrundfunk, Twagiramungu werde am gleichen Tag das Land verlassen – anders gesagt: Es lohnt sich sowieso nicht, ihn zu wählen. Twagiramungu kündigte eine Anfechtung des Ergebnisses vor Gericht an.

Bleibt die Frage, ob Kagames hoher Sieg regulär entstanden ist. Während der Wahlablauf am Montag nach ersten Stellungnahmen von Wahlbeobachtern überall geordnet gewesen sein soll, waren bei keinem der von der taz besuchten Wahlbüros in Kigali sowie anderen Landesteilen andere Beobachter als die der RPF anwesend, sodass Staat und Regierungspartei nach Schließung der Wahllokale um 15 Uhr mit den abgegebenen Stimmen unter sich blieben. Auf den dünnen Wahlzetteln, die ohne Umschlag in die Urne geworfen wurden, war auch bei gefaltetem Zustand oftmals deutlich zu erkennen, an welche Stelle der blaue Daumenabdruck des Wählers oder der Wählerin gesetzt war, was leicht Rückschlüsse über die Vergabe der Stimme zuließ.

Die Wahlkommission sprach von 80 Prozent Wahlbeteiligung landesweit schon mittags. Besonders massiv drängten die Wähler auf dem Land an die Urnen. In Bicumbi südöstlich von Kigali, einst verrufene Hochburg von Ruandas Völkermordmilizen, hatten bereits zur Mittagszeit bis zu 97 Prozent der Wähler abgestimmt. Hier und in der nahen Kleinstadt Kabuga saßen am Nachmittag müde Wahlhelfer und RPF-Beobachter in verlassenen Schulhöfen, die als Wahlbüros dienten, und begegneten Fremden mit Misstrauen.

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