NRW-SPD macht auf Bürgerversicherung

Die Wiederentdeckung der Linken: Solidarität wird wie der Schutz der Arbeitnehmer Wahlkampfthema in NRW

DÜSSELDORF taz ■ Vor dem Hintergrund schlechter Umfragewerte macht sich jetzt auch die nordrhein-westfälische SPD für die Bürgerversicherung stark. Das neue Lieblingsprojekt der Linken sorge für mehr Gerechtigkeit unter den Versicherten, heißt es in einem Grundsatzpapier, das SPD-Landesgeneralsekretär Michael Groschek gestern zusammen mit dem Kölner Hochschullehrer Karl Lauterbach in Düsseldorf vorgestellt hat. Außerdem werde die Bürgerversicherung für einen Aufschwung sorgen: Die Beitragssätze und damit die Lohnnebenkosten würden gesenkt.

Die Bürgerversicherung sieht die Einbeziehung aller in die sozialen Sicherungssysteme vor – bisher konnten sich besonders Gutverdienende durch die Absicherung über Privatversicherung entziehen, den öffentlich-rechtlichen Kassen fehlten damit die hohen Beiträge der besonders Zahlungskräftigen. Die CDU setzt dagegen weiter auf das so genannte Kopfpauschalenmodell, dass identische Beitragssätze vorsieht – Besserverdiener würden bevorteilt, Geringverdiener sollen über eine Umverteilung Steuermitteln in Milliardenhöhe entlastet werden. Der Versuch von CDU-Oppositionsführer Jürgen Rüttgers, dem Kopfpauschalenmodell einen sozialeren Anstrich zu geben, war vor dessen Urlaub auf Bundesebene versandet.

Groschek kritisierte die CDU-Kopfpauschale prompt als „Ausstieg aus dem Sozialstaat“: Die Modelle der Union „zur Steuerreform, der Abschaffung des Kündigungsschutzes“ und eben zur Kopfpauschale machten dies „überdeutlich“, findet der Generalsekretär. Dabei habe bereits das bestehende Gesundheitssystem aus gesetzlichen und privaten Krankenkassen eine „Zwei-Klassen-Medizin“ etabliert, rügte auch Ökonom Lauterbach: Menschen mit sicherem Arbeitsplatz, guten Einkommen und guter Gesundheit würden beispiellos bevorzugt. Außerdem sei das deutsche Gesundheitssystem im europaweiten Vergleich rund ein Drittel zu teuer, ohne den Versicherten irgendwelche anderen Vorteile zu bieten. Die Bürgerversicherung benachteilige finanziell Schwache dagegen nicht. Für Nordrhein-Westfalens SPD dürfte das ein mitentscheidendes Argument: Allein in diesem Jahr verlor die Partei fast 11.000 Mitglieder. Im Juni standen 184 Austritten allerdings 329 Neuaufnahmen gegenüber.

ANDREAS WYPUTTA