Der sichere Tod verhindert keine Abschiebung

Eine kurdische Familie soll aus Deutschland abgeschoben werden, obwohl die Eltern schwer krank sind. Die Behörden sehen darin keinen Bleibegrund. Eine evangelische Gemeinde im Sauerland bietet der Familie nun Kirchenasyl

MENDEN taz ■ Um nach der Ablehnung ihrer Asylanträge nicht abgeschoben zu werden, lebt eine vierköpfige kurdische Familie seit Mittwoch Nacht im Kirchenasyl in der Evangelischen Kirchengemeinde Lendringsen im Märkischen Kreis.

Seit 14 Jahren ist Familie Özmen nun in Deutschland, zuletzt hatten die Eltern mit ihren beiden Kindern viele Jahre im niedersächsischen Bersenbrück gelebt. Die beiden Söhne, zwölf und vierzehn Jahre alt, sind hier aufgewachsen und zur Schule gegangen. Die Türkei kennen sie nur aus Erzählungen. Nun haben die Behörden die Anträge auf ein Bleiberecht für die Familie trotz einer schweren Erkrankung des Vaters abgelehnt. Um eine sofortige Abschiebung zu verhindern, haben Asylhelfer die Familie daraufhin nachts nach Lendringsen gebracht. Die dortige evangelische Kirchengemeinde hat in den letzten zehn Jahren schon in sieben anderen Fällen Kirchenasyl gegeben und hat auch diesmal nicht gezögert, der Familie in den Räumen der Kirche Unterschlupf zu gewähren.

Das Presbyterium, der Gemeindevorstand, habe schon vor mehr als zehn Jahren den einstimmigen Beschluss gefasst, Kirchenasyl zu gewähren, wenn das Leben der Betroffenen gefährdet ist, so Pastorin Monika Weingärtner-Hermanni. Anlass für diesen Entschluss seien damals die ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Hoyerswerda gewesen. „Aus diesem Beschluss ist das Kirchenasyl entstanden, das nicht nur von der Gemeinde, sondern auch von vielen katholischen und konfessionslosen Helfern und Freunden unterstützt wird.“

Die Gemeinde hält eine Abschiebung der Familie wegen der Erkrankung des Vaters, der dreimal wöchentlich eine Dialyse benötigt, für unmenschlich. Ein Gemeindemitglied, das namentlich nicht genannt werden möchte, macht deutlich, dass eine konsequente, permanente Behandlung von Fikret Özmen in der Türkei nicht gewährleistet wäre. „Nach ihrer Abschiebung wäre die Familie nicht krankenversichert. Es würde Monate dauern, um zu klären, ob sie überhaupt versichert würden. Aber auch dann könnte Familie Özmen die Behandlung nicht bezahlen.“ Da die Eltern beide nicht arbeitsfähig sind, könnte außerdem niemand für den Lebensunterhalt der Kinder sorgen.

Die zuständigen Behörden berufen sich jedoch auf amtsärztliche Gutachten. Die halten den Vater für bedingt transportfähig. Einer Abschiebung stehe deshalb nichts im Wege. Dass eine Aussetzung der Behandlung in kurzer Zeit zum Tod Fikret Özmens führen würde, ignorieren die Behörden.

Jetzt setzt die Gemeinde auf ein Umdenken der Behörden: „Wir hoffen auf das neue Zuwanderungsgesetz und darauf, dass eine Härtefallkommission einsieht, welche katastrophalen Folgen die Abschiebung der Familie hätte“, so Weingärtner-Hermanni. Bis dahin wird die Familie weiter im Kirchenasyl bleiben. Rechtssicherheit gibt ihnen das allerdings nicht. Denn auch die Kirche ist kein rechtsfreier Raum und vor dem Zugriff der Staatsgewalt nicht geschützt. Eine Abschiebung droht der Familie deshalb weiter. ULLA JASPER