: „Klein anfangen, groß denken“
Ein Zentrum für Neue Arbeit auf dem Bremer Bahnhofsvorplatz? Die Chefin der Bremer Arbeit GmbH, Katja Barloschky, lässt sich vom Philosophen Frithjof Bergmann inspirieren
taz: Was bewirken die Ideen von Frithjof Bergmann bei einer Frau wie Katja Barloschky, die seit Jahren über die Krise der Arbeit nachdenkt – und unter anderem als Chefin der „Bremer Arbeit GmbH“ hauptamtlich Menschen in Arbeit bringe soll.Katja Barloschky: Sie geben Mut in Zeiten der Zwänge – und Ideen, wie Energie und Kraft geschöpft werden können für Selbstbehauptung, Würde und Zweifel. Dabei geht es mir übrigens auch um die Würde und den Mut von Entscheidungsträgern. Was Bergmann vorträgt, löst zwar nicht die Probleme – aber man kann seine Ideen aufgreifen und „denkbar machen“ für Arbeitssuchende wie auch für Menschen in Umbruchsituationen.
So einer wie Bergmann muss bei Ihnen doch Zweifel an der Alltagsarbeit wecken. Er kritisiert, dass Unsummen ausgegeben werden, um Jobs – im Wettbewerb mit anderen – anzusiedeln oder Menschen, die aus dem Arbeitsprozess rausgefallen sind, mit Kraft wieder reinzudrücken. Zweifel hat jeder vernünftige Mensch, der in dieser, aber auch in anderen Branchen tätig ist. Mit einer Handvoll Managern habe ich nach dem Vortrag von Bergmann noch darüber gesprochen. Im Moment spinne ich an der Idee, Menschen zusammenzubringen, um miteinander zu brüten und etwas Neues auszuprobieren.
Kennen Sie die „New Work“-Projekte Bergmanns?Ich kenne zwei sehr kleine Projekte in Deutschland, die ich nicht näher bewerten will. Für Bremen würden mir sofort Standorte einfallen. Ein Zentrum für Neue Arbeit zu bauen, wäre natürlich ein Traum, für den sich der Bahnhofsvorplatz hervorragend eignen würde. Aus dem leeren Brinkmann-Haus in der Obernstraße könnten wir auch was machen. So ein Zentrum wäre vielleicht nicht die große Lösung für Erwerbslosikgeit oder ermüdende und schwere Arbeit. Aber ein Ort, an dem Menschen freiwillig nach Lust und Möglichkeit sich beraten, arbeiten und gemeinschaftlich produzieren.
Sie arbeiten seit Jahren am Thema Arbeit – würden Arbeitslose, die Sie kennen, sich für sowas interessieren, wo man macht, was man will und worin man gut ist – oder sind die Zeiten ungünstig darüber nachzudenken, was man wirklich will?Es ist in diesen Zeiten sehr wichtig zu wissen, was man will. Das gilt für die Verlierer und Verliererinnen in der Arbeitswelt – aber auch für Unternehmen. Man muss hier Verbindungen zu modernen Personalentwicklungsstrategien herstellen. Unser Projekt „neue arbeit: leben lernen“ tut das, indem wir mit Beschäftigten von Firmen – die dafür Geld auf den Tisch legen – darüber nachdenken: Wo stehe ich, wo will ich hin, was will ich wirklich, was gefällt mir und was nicht, wo liegen meine Potenziale? Sowas ist nicht die abgedrehte Idee von Verrückten.
Was behindet die Gründung solcher Zentren am stärksten?Es gibt zwei Hindernisse. Das erste sind wir selbst, weil wir eher Probleme sehen als Visionen. Das betrifft viele Menschen – aus der Politik, aus den Behörden und mich selbst. Leider haben wir noch nicht den Dreh gefunden, die Potenziale solcher Ideen auf den Punkt zu bringen und damit beispielsweise Menschen mit viel Geld anzusprechen, die dann mitmachen würden. Das andere Probleme ist, dass es Ausdauer braucht. Man muss über einen längeren Zeitraum an sowas glauben und niemand darf hoffen, dass irgend eine Behörde oder sonst jemand Verantwortung übernimmt. Man muss sagen: Wir fangen ganz klein an, aber wir denken groß – und wir hören nicht auf damit.
Außerdem kostet es Geld. Ja, aber ich bin da nicht so pessimistisch. Es wäre beispielsweise eine schöne Chance gewesen, die Vordenker der Kulturhauptstadt für sowas zu begeistern. Das haben wir leider verpasst. Aber die Blaue Karawane hat ja in wunderschöner Weise in der Bewerbung zur Kulturhauptstadt ihren Platz gefunden. Vielleicht gibt es da Anküpfungspunkte.
Interview: Eva Rhode
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