Die Folterverliese von Abu Kreuth

Durch die Strauß- und Hohlmeier-Skandale werden düstere Praktiken der CSU enthüllt

Bayern polarisiert: Für die einen ist es das Musterland mit dem höchsten Geranienfaktor an handgeschnitzten Balkonen, für die andern eine Politkloake, ja die längste Latrine der Welt.

Unglaubliches spielt sich nämlich im Freistaat ab, seit immer neue Nachrichten aus der bayerischen Machtzentrale dringen und Kultusministerin Monika Hohlmeier die Schlammschlacht eröffnet hat. Nach der Verurteilung ihres Bruders Max Strauß, der Festnahme von Holger Pfahls und drohenden weiteren Einzelheiten über die Machenschaften des Strauß-Clans liegen die Nerven blank. Vor allem der Skandal um gekaufte CSU-Mitglieder und der Versuch von Monika Hohlmeier, mit angedrohten Enthüllungen ihre innerparteilichen Gegner einzuschüchtern, passt so gar nicht zum Saubermann-Image des Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Seine Devise heißt jetzt: den Ball flach halten und das Gras wachsen lassen. Monika, die umtriebige Hobby-Erpresserin, wurde zur Entschuldigung gezwungen, die von ihr Gemobbten akzeptierten auffällig rasch „die honorige Erklärung“.

Doch wo gehobelt wird, da fallen Spaenle. Dem am stärksten unter Druck gesetzten Landtagsabgeordneten Ludwig Spaenle gelang es während der turbulenten Vorstandssitzung, Hohlmeiers grünen Schnellhefter mit den Dossiers vorübergehend an sich zu nehmen und zu fotokopieren. Hier Auszüge aus dem belastenden Material, mit dem das Kumi-Luder ihre Parteifeinde zu erpressen versuchte: „Otto, du hast ja auch schon mal im Suff einen Polen überfahren.“ – „Erwin, du hast im Franziskaner die Weißwürscht mitsamt der Haut gegessen.“ – „Ludwig, deine Frau hat eine Wahl gefälscht.“

Neben diesen für bayerische Verhältnisse eher harmlosen Verfehlungen enthält Hohlmeiers Dossier aber auch Vorwürfe gegen höchste CSU-Kreise, die Stoiber ernsthaft in Schwierigkeiten bringen könnten.

In Wildbad Kreuth, wo die CSU-Spitze ihre alljährliche „Klausurtagung“ abzuhalten pflegt, soll auf Befehl Edmund Stoibers ein hochmodernes Folter- und Verhörzentrum eingerichtet worden sein, in dem abtrünnige Parteimitglieder wieder „auf Kurs“ gebracht wurden. Der parteiintern als „Abu Kreuth“ bekannte Folterkeller fungierte jahrelang als hochwirksames Disziplinierungsinstrument für Abweichler und ist sicherlich eine Erklärung für die ostblockartigen Abstimmungsergebnisse bei CSU-Wahlen.

Nach Angaben des Dossiers soll sich vor allem CSU-Landesgruppenchef Michael Glos als veritabler Folterknecht hervorgetan haben. Seine stundenlangen Rezitationen aus dem CSU-Programm gehören dort offenbar ebenso zum Psychofolter-Repertoire wie Einzelhaft mit ohrenbetäubender Bayernhymnen-Beschallung. Die solcherart weich gekochten Parteirebellen fügten sich nach dieser „Behandlung“ meist wieder reibungslos ins gut geölte Getriebe der CSU-Machtmaschinerie ein. Ausnahmen wie der frühere Justizminister Sauter, der trotz mehrtägigen Abu-Kreuth-Aufenthalts auf seiner kontroversen Linie beharrte, wurden von Stoiber gnadenlos aus dem Amt gejagt und politisch kaltgestellt.

Die Enthüllung dieses bislang streng geheim gehaltenen Einschüchterungssystems könnte sich aber für die CSU insgesamt als echte Brandbombe erweisen: Perfidestes Beispiel der unglaublichen Praktiken war laut Hohlmeiers Schnellhefter die Behandlung des Landshuter CSU-Atomkraftgegners Alois Hiengerl. Der wurde in den Folterverließen von Kreuth auf höchste Anweisung hin mit Elektroschocks traktiert – der Strom stammte dabei aus dem Wasserkraftwerk Walchensee!

Und wer weiß schon so genau, was mit Angela Merkel vor dem legendären Wolfratshausener Frühstück geschah, bei dem sie 2002 auf ihre Kanzlerkandidatur verzichtete? Wie jetzt bekannt wurde, stand am Vorabend des Frühstücks ein Ausflug nach Kreuth auf dem Programm. Merkel war jedenfalls merklich blass, als sie am Morgen danach das Frühstücksei im Hause Stoiber köpfte … RÜDIGER KIND