Schauprozess gegen Islamisten

In Usbekistan erzählen mutmaßliche islamistische Terroristen bei ihrem Prozess genau das, was die Behörden hören wollten, obwohl ihnen die Todesstrafe droht. Ein Angeklagter bedankt sich sogar für seine Verhaftung. Mögliche Folter ist kein Thema

AUS TASCHKENT PETER BÖHM

Die Angeklagten – 13 Männer und zwei Frauen – sitzen in zwei Käfigen und starren die ganze Zeit krampfhaft auf den Boden. Einer nach dem anderen steht auf und macht stundenlange Geständnisse, deren Inhalte sich wie auswendig gelernte Polizeiberichte anhören. Viele sprechen mit tränenerstickter Stimme. Einer dankt sogar der Polizei, dass sie ihn festgenommen und davor bewahrt hat, weitere Verbrechen zu begehen.

Die Staatsanwaltschaft legt keine Indizien vor, und die Anwälte der zwischen 22 und 40 Jahre alten Angeklagten stellen Fragen wie: „Aber Sie wollten sich doch in die Luft sprengen, bevor Sie von der Polizei festgenommen wurden?“ Die Selbstbezichtigungen ihrer Mandanten hinterfragen die Anwälte nicht.

Es ist schwer, sich bei dem ersten Verfahren gegen die mutmaßlichen Planer der jüngsten Bombenanschläge in Usbekistan, das Anfang der Woche in Taschkent begann, nicht an einen Schauprozess im Moskau der 30er-Jahre zu erinnern. Dabei sind die Verbrechen, die dem Verfahren zugrunde liegen, äußerst real. Bei Selbstmordattentaten, die sich vor allem gegen die Polizei richteten, wurden Ende März und Anfang April hauptsächlich in der Hauptstadt Taschkent 47 Menschen getötet. Nach Regierungsangaben waren 33 davon mutmaßliche Terroristen und 10 Sicherheitskräfte.

An dem islamistischen Hintergrund der Anschläge bestand kein Zweifel. Die Regierung beeilte sich damals alle möglichen islamistischen Organisationen von al-Qaida über die Taliban bis zur Hisb-ut Tahrir, eine auch in Deutschland verbotene Gruppe, die nach eigenen Angaben mit friedlichen Mitteln das muslimische Kalifat wieder errichten will, für die Anschlagsserie verantwortlich zu machen. Außerdem bezichtigte sie eine bis dahin unbekannte Gruppe, namens Dschamohat (Gesellschaft). Sie habe die Terroristen in Trainingslagern im pakistanischen Südwasiristan ausgebildet, einer Stammesregion an der Grenze zu Afghanistan, wo viele Beobachter eine Taliban-Hochburg vermuten, sagte Präsident Islam Karimow persönlich.

In ihren bisherigen Aussagen bestätigten die Angeklagten genau die Version der usbekischen Regierung. Sie verwickelten al-Qaida, die Taliban und Hisb-ut Tahrir in die Anschläge und berichteten Details, wer angeblich hinter Dschamohat steckt. Anführer sei der Usbeke Nasriddin Dschalalow, sagte etwa der Angeklagte Farhad K. aus. Dieser habe sich mit dem ideologischen Anführer der Islamischen Bewegung Usbekistans (IMU), Tahir Juldaschew, zerstritten und daraufhin eine eigene Organisation gegründet. Die militante IMU wird von der Regierung für Bombenanschläge im Februar 1998 verantwortlich gemacht. Von Basen in Tadschikistan und Afghanistan unternahm sie 1999 und 2000 Guerillaangriffe auf Usbekistan. Dschalalow sei wahrscheinlich noch in Pakistan, so Farhad K. Er unterstehe direkt dem afghanischen Taliban-Führer Mullah Omar.

Der Mitangeklagte Furkhat J. ergänzte ein pikantes Detail. Außer in Pakistan will er auch in einem Lager im Süden Kasachstans, Usbekistans regionalen Rivalen, ausgebildet worden sein. Die kasachische Regierung wies diesen auch von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwurf in einer Erklärung zurück.

Natürlich ist diese Version der Hintergründe der Anschläge unter den Umständen des Prozesses mit äußerster Vorsicht zu genießen. Warum sollten die Angeklagten, denen die Todesstrafe droht, sich selbst so schwer belasten? Deshalb erhoben lokale Menschenrechtsvertreter in Taschkent sofort den Vorwurf, die Angeklagten seien gefoltert worden. Nicht nur hat der UNO-Sonderberichterstatter über Folter, Theo van Boven, im vergangenen Jahr festgestellt, dass Usbekistans Sicherheitskräften Folter „systematisch“ einsetzen. Auch Gerichtsdokumentationen zeigen, dass dies eine durchaus übliche Ermittlungsmethode der usbekischen Polizei ist.