Kampf um Macht und Einfluss

Im Irak steckt hinter der Verschiebung der Nationalkonferenz der zunächst gescheiterte Versuch, verschiedene Fraktionen und Bevölkerungsgruppen in das neu zu schaffende System einzubinden

AUS BAGDAD INGA ROGG

Bei einem überraschenden Kurzbesuch in Bagdad hat US-Außenminister Colin Powell gestern die amerikanische Unterstützung für den Demokratisierungsprozess im Irak bekräftigt. Iraks Präsident al-Jawer zeigte sich nach einem Treffen mit Powell zuversichtlich, dass der Zeitplan für die Wahl einer Regierung im Januar eingehalten werden könne. „Wir arbeiten rund um die Uhr um sicherzustellen, dass wir im Plan liegen“, sagte er.

Allerdings war kurz zuvor die für dieses Wochenende geplante irakische Nationalkonferenz um zwei Wochen verschoben worden. Sie sollte ein Signal für die Einheit und den Aufbruch zur Demokratie setzen und beweisen, dass die neue Regierung Wort hält und sich nicht von Gewalttätern einschüchtern lässt. Doch im letzten Moment gab das Vorbereitungskomitee dem Drängen der UNO-Vertreter nach und verschob die Konferenz.

Nicht zuletzt das Massaker von Bakuba vom Mittwoch hat gezeigt, dass den Gegnern der Regierung jedes Mittel recht ist, sie aus den Angeln zu heben. Umso wichtiger ist es für die Regierung, mit der Konferenz der Mehrheit der Iraker zu zeigen, dass sie künftig am politischen Prozess beteiligt sind.

Doch damit scheiterte das Vorbereitungskomitee bereits vorab. Gut die Hälfte der 1.000 Delegierten sollte in einem komplizierten Verfahren auf lokaler und regionaler Ebene gewählt werden. Die übrigen Sitze sind für Stammesvertreter, religiöse Würdenträger, Berufsgruppen und Basisinitiativen reserviert. In mehreren Provinzen warfen politische und religiöse Vertreter dem örtlichen Nominierungsausschuss indes fehlende Transparenz und Manipulation des Verfahrens vor. Dabei zeigte sich der schiitische Radikale Muktada al-Sadr einmal mehr von seiner unberechenbaren Seite. Nachdem er zuerst seine Beteiligung zugesagt hatte, zog er diese zurück, weil bei der Wahl in Nadschaf sein politisches Gewicht zu wenig berücksichtigt worden sei.

Die kalte Schulter zeigte dem Ausschuss auch die sunnitische Vereinigung der Religionsgelehrten, die über gute Verbindungen zur islamistischen Guerilla um Falludscha und Ramadi verfügt. Darüber hinaus lehnten verschiedene Flügel arabischer Nationalisten um die ehemalige Baath-Partei eine Teilnahme ab. Aus diesem Feld speist sich seit Monaten ein Großteil der Gewalt. In der Hoffnung, den Konfrontationskurs doch noch beenden zu können, drängten die UNO-Berater auf weitere Gespräche.

In Kirkuk musste das gesamte Auswahlverfahren annulliert werden, nachdem sich Kurden, Turkmenen und Araber über die Zusammensetzung der 18-köpfigen Delegation nicht einigen konnten. In dem nur eine Autostunde entfernten Suleimaniye wurden dagegen vor einer Woche die 34 Delegierten für die Nationalkonferenz von 680 Wahlmännern und -frauen gewählt worden. Mit neun Frauen übertraf die Provinz das Quorum von 25 Prozent sogar leicht. Obwohl die Kurden gern auf den Vorbildcharakter ihrer Autonomieregion für die Demokratisierung des Irak verweisen, war die Wahl auch in Kurdistan nicht reibungslos. Nachdem die einflussreiche gemäßigte Islamische Vereinigung von der Regierung in der kurdischen Hauptstadt Arbil ausgebootet wurde, boykottierte sie die Wahl insgesamt.

Die 1.000 Delegierten der Nationalkonferenz sollen 100 Mitglieder der Nationalversammlung bestimmen. Ein Teil der Sitze ist bereits an Mitglieder des früheren Regierungsrats vergeben, die bei der Regierungsbildung leer ausgingen. Neue Gesetze müssen von diesem Quasiparlament bestätigt werden. Es kann zudem Minister absetzen und der Regierung das Misstrauen aussprechen.