„Offenbar hält der Clement-Flügel der SPD das für eine Marotte“

Reinhard Loske, Vizechef der grünen Bundestagsfraktion, will Konsequenzen aus der Ölpipeline-Misere: Die Standards für Bürgschaften der Regierung sollen steigen

taz: Herr Loske, der Konzern BP baut eine Ölpipeline von Baku über Tiflis nach Ceyhan. Aus Lecks austretendes Öl, fehlende Tests gegen Erdbebensicherheit oder Probleme mit giftigen Baumaterialien – wegen der Umweltprobleme vor Ort haben Sie sich jetzt an die Bundesregierung gewandt. Warum?

Reinhard Loske: Deutschland ist auf zweierlei Weise in das 3,6 Milliarden Euro teure Projekt involviert. Erstens hat die Bundesregierung für Teile dieser Pipeline eine Hermesbürgschaft gegeben. Zweitens wird die 1.760 Kilometer lange Trasse von der Weltbank mitfinanziert. Deutschland wiederum ist einer der größten Anteilseigner der Weltbank.

Unter anderem haben Sie Außenminister und Parteikollege Joschka Fischer geschrieben. Hat er schon geantwortet?

Bislang noch nicht.

Wie wird die Antwort aussehen?

Da hilft ein Blick in die Vergangenheit. Es gibt nicht zum ersten mal Konflikte mit Hermesbürgschaften – wenn sie sich etwa an das geplante Atomkraftwerk in Finnland oder den Illisu-Staudamm in der Türkei erinnern. Wir als bündnisgrüne Fraktion kritisieren, dass es für diese Hermesbürgschaften keine hinreichend hohen Vergabestandards gibt. International sind solche Standards im Dezember 2003 vereinbart worden – die so genannten OECD-Leitlinien. Und wir wollen, dass sie endlich auch in Deutschland umgesetzt werden. Wir müssen erreichen, dass wir über problematische Projekte nicht erst reden, wenn die Hütte brennt. Was wir brauchen, sind eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung und eine Vorabtransparenz, die zum Kriterium der Mittelvergabe werden.

Nun ist die grüne Bundestagsfraktion eine Regierungsfraktion. Wenn Sie denn also diese Kriterien geändert haben wollen – wieso passiert dann nichts?

Wir haben in der letzten Legislatur Veränderung an den Hermesbürgschaften erreicht, allerdings nur leichte Verbesserungen. Deshalb haben wir im neuen Koalitionsvertrag vereinbart, dass bei den Hermesbürgschaften künftig verstärkt Umwelt-, Sozial-, Gerechtigkeits- und Menschenrechtskriterien eine Vergabegrundlage sein sollen. Weil das Wirtschaftsministerium und auch Teile des Koalitionspartners aber jede Einsicht verweigern, ist das noch nicht umgesetzt. Offenbar hält der Clement-Flügel der SPD das für eine Marotte der Grünen. Aber das Gegenteil ist der Fall: Gerade weil wir in der Bundesrepublik eine hohe Umweltkompetenz haben, liegt unser Interesse darin, dass auch international die Standards hoch gesetzt werden. Das ist eine Frage der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit.

Wenn man sich den Krieg ums Öl im Irak betrachtet: Die Pipeline hat höchste geopolitische Bedeutung. Wie kommt es dann, dass sich der Bauherr derartige Umweltpannen leistet?

Offenbar hat der Konsortialführer seine Subunternehmen nicht im Griff. Wir erwarten von der Weltbank, dass sie garantiert, dass ökologische Schäden unterbleiben. Und ich fordere von der Bundesregierung, dass sie den Druck auf die Weltbank dahingehend erhöht. Schließlich geht es hier auch um Geld des deutschen Steuerzahlers.

INTERVIEW: NICK REIMER

Hintergrund: www.weed-online.org, www.bakuceyhan.org.uk