Nebenverdienst für Verfassungsschützer

Thüringens Staatskasse zahlte für Aufklärungsliteratur gegen Rechtsextremismus, die nie gedruckt wurde

BERLIN taz ■ Die Staatsanwaltschaft Erfurt hat den Exchef des Thüringer Verfassungsschutzes angeklagt. Helmut Roewer werde Betrug und Untreue in mehr als 60 Fällen vorgeworfen, sagte ein Sprecher des Landgerichts Erfurt der taz. Neben Roewer wurde auch gegen zwei andere ehemalige Mitarbeiter des Verfassungsschutzes Anklage erhoben, wegen Beihilfe zur Untreue und zum Betrug in fünf Fällen.

Roewer soll zwischen 1996 und 2000 Scheinverträge zwischen dem Staat Thüringen und „anderen Personen oder Verlagen“ geschlossen haben. Dabei sollen die Angeklagten bestätigt haben, dass sie Expertisen zum Thema Extremismus erstellt hätten, obwohl es diese nie gegeben hat. Ein Beispiel dafür ist der Heron-Verlag, der 1997 als Tarnfirma des Verfassungsschutzes gegründet wurde. Roewer gab vor, Heron hätte einen vom Land in Auftrag gegebenen Film produziert und zeichnete die entsprechenden Formulare ab. Die Staatskasse zahlte – laut Anklage für nichts. Außerdem werden Roewer und seine Mitangeklagten beschuldigt, Gelder zweckentfremdet haben. Dabei sei ein Schaden von umgerechnet etwa 150.000 Euro entstanden.

Roewer wurde vor vier Jahren in den Ruhestand versetzt. Er hatte den Neonaziführer Thomas Dienel als Informanten des Verfassungsschutzes arbeiten lassen, obwohl der wegen Volksverhetzung verurteilt war. Dienel prahlte später damit, dass er mit dem Geld des Verfassungsschutzes Aktivitäten Rechtsextremer finanziert habe.

Zudem ermittelte das Innenministerium wegen Geheimnisverrat gegen Exgeheimdienstchef Roewer. So waren in Zeitungen Protokolle zwischen Roewer und dem damaligen Justizstaatssekretär und späteren Justizminister Karl-Heinz Gasser (CDU) aufgetaucht. Pikant: Ausgerechnet Gasser wurde mit der Untersuchung beauftragt, obwohl er selbst in den Protokollen auftauchte.

Der Fall Roewer gehört zu einer Reihe von Affären im thüringischen Sicherheitsapparat. So musste 2002 Innenminister Christian Köckert (CDU) wegen verschwundener geheimer Daten seinen Stuhl räumen, sein Nachfolger hielt es ebenfalls nicht lange im Amt. Inzwischen bekleidet Gasser den Posten. DAS