Der Sport mindert die Schuld beim Fiskus

Weil die staatliche Förderung wegbricht, wendet sich der Landessportbund nun an vermögende Stifter

Die höflich vorgetragene Warnung des Ministers war für Insiderohren unmissverständlich. „Die Förderung des Spitzensports darf nicht konjunkturabhängig sein“, dozierte Michael Vesper, oberster Leibesertüchtiger Nordrhein-Westfalens, im März 2000 bei einer Gesprächsrunde in der Hauptstadt-Residenz seines Landes. Obwohl damals die Wirtschaftsbaisse erst noch bevorstand und der Rotstift noch nicht die Regierungspolitik ersetzte, stieß Vespers unterschwellige Message in Berliner Ohren offensichtlich auf Resonanz: Der Landessportbund (LSB) forcierte die Suche nach alternativen Förderquellen. Denn die Hauptstadt hallte längst wider vom Streichkonzert des Senats, der seit 1992 bis heute seine Sportförderung peu à peu um 60 Prozent gekappt hat.

Aktuell liegt der LSB-Etat mit 26,6 Millionen Euro eine Million unter dem Haushalt des Vorjahres – Tendenz eher weiter fallend. Doch wenn die Staatsknete bröckelt, warum soll man den Überbau nicht anzapfen? Diese Dialektik im Kampf um neue Ressourcen scheint der LSB zu beherzigen. Anabell Stüvel will inzwischen sogar eine wachsende Ähnlichkeit der Sportorganisation mit dem Finanzamt nicht mehr leugnen. „Vielleicht kann man das sagen“, antwortet die Frau vom Vorstand der neuen „Sportstiftung Berlin“.

Gerade hat der LSB für sein jüngstes Kind eine Existenzgenehmigung eingeholt. 274.100 Euro beträgt das Grundkapital des Verbandes und seiner 13 „Zustifter“ für ein Projekt, das eine Vorreiterrolle in Deutschland innehat: Die Dachorganisation des Spree-Sports übernimmt die Gründung und Verwaltung von Stiftungen für Vereine und Privatpersonen – und profitiert im Gegenzug davon durch die Zufuhr neuer Finanzmittel. „Wir schaffen uns ein zweites Standbein“, jubelt Stüvel.

Potenzielle User des neuen Standbeins können die pekuniäre Seite der schönsten Nebensache der Welt genießen. Wer als Steuerbürger nicht in die x-te Windkraft-Anlage oder ein weiteres Frachtschiff investieren möchte, kann jetzt auch mit dem Sport seine Schuld beim Fiskus mindern.

„Wir übernehmen gegen eine geringe Verwaltungspauschale den bürokratischen Aufwand, die Ausarbeitung der Satzung sowie die Verwaltung der Stiftung. Der Stifter bestimmt den Zweck“, erklärt Stüvel. Der Sportverband als Treuhänder für Personen und Institutionen, die stiften gehen wollen. „Ein Stifter kann sich damit verewigen“, sagt die Vorstandsfrau.

Was bisher allenfalls im kirchlichen oder sozialen Bereich Usus war, soll künftig auf die Leibesertüchtigung ausgeweitet werden: Menschen und Vereine, die per Gesetz keinen Überschuss erwirtschaften dürfen, gehen beim Landessportbund stiften.

Das Stammkapital der Einlagen darf zwar nicht angetastet werden. Aber die Zinsen können als Investitionen fließen. Daraus werden je nach Gusto des Stifters die Talentförderung, Lieblingssportarten oder -Vereine bzw. die Berufsausbildung von Hochleistungssportlern nach ihrer Karriere subventioniert.

„Für Stifter oder auch Erblasser hat das den Vorteil, dass die Einlagen steuergünstig sind“, lockt Stüvel. Schenkungs- und Erbschaftssteuer entfallen. Anders als bei Spenden an eingetragene Vereine, die nur zu einem relativ geringen Satz geltend gemacht werden können, lassen sich Stiftungseinlagen bis zu 307.000 Euro – über zehn Jahre verteilt – abschreiben.

„Wir haben uns zum Ziel gesetzt, in einem Jahr ein Vermögen von einer Millionen Euro zu erreichen“, erklärt Stüvel. Leider sei die Zeit wegen der niedrigen Verzinsung auf dem Kapitalmarkt derzeit nicht sonderlich geeignet für die Ansammlung größerer Kapitalmengen. Aber immer noch besser, als tatenlos zusehen zu müssen, wie der nächste staatliche Sparhammer herabsaust. JÜRGEN SCHULZ