Lästige Post für Sozialhilfeempfänger

Ab Mitte August verschicken die Bezirke die Hartz-IV-Formulare an die Berliner Sozialhilfeempfänger. Rund138.000 Menschen müssen dann über ihr Leben Auskunft geben. Die FDP verlangt eine Verschiebung der Reform

Die Vorbereitungen der Umsetzung von Hartz IV laufen auf vollen Touren – obwohl noch immer nicht geklärt ist, welchen Anteil der Bund bei der Einrichtung der so genannten Job Center auf Bezirksebene leistet. Nachdem schon die rund 170.000 Arbeitslosenhilfebezieher Post von der Bundesagentur für Arbeit bekommen haben, verschicken demnächst die Sozialämter die Formulare für das künftige Arbeitslosengeld II. Ab Mitte August werden rund 138.000 Sozialhilfeempfänger, die als erwerbsfähig gelten, die Bogen in ihren Briefkästen finden. In Berlin sind insgesamt rund 460.000 Menschen von Hartz IV betroffen – arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger, Arbeitslosenhilfebezieher und deren im Haushalt lebende Angehörige. Damit spürt jeder siebte Berliner direkt die Auswirkungen der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf Sozialhilfeniveau.

Verstärkung bekommen die Sozialämter bereits ab Montag von rund 150 neuen Mitarbeitern aus dem Stellenpool des öffentlichen Dienstes. „Die agieren aber mehr in der zweiten Reihe“, so eine Sprecherin der Sozialverwaltung. Unklar ist aber noch, wo die Job Center genau eingerichtet werden.

Zurzeit verhandeln die einzelnen Arbeitsagenturen mit den Bezirken über geeignete Standorte und das benötigte Personal. Eine entsprechende Rahmenvereinbarung hatte der Senat bereits vor 14 Tagen verabschiedet. „Vorläufer von Job Centern gibt es ja schon“, so Olaf Möller von der Arbeitsagentur. So arbeiteten etwa in den Bürgerämtern in der Kreuzberger Yorckstraße oder in der Weddinger Müllerstraße bereits Beschäftigte der Bundesagentur und der Bezirksämter bei der Betreuung von Arbeitslosen zusammen. Die Arbeitsgemeinschaften zwischen beiden Behörden werden in den nächsten Wochen eingerichtet.

Scharfe Kritik an der Umsetzung von Hartz IV übte unterdessen der FDP-Arbeitsmarktexperte Rainer-Michael Lehmann. „Die zwölf Job Center in Berlin werden den Ansturm von Betroffenen nicht bewältigen können.“ Statt weniger Bürokratie und mehr Effizienz müssten die Arbeitsagenturen und die neu zu schaffenden Job Center ihr Personal aufstocken. Zudem funktioniere die Software zur Erfassung der Daten von künftigen Arbeitslosengeld-II-Empfängern immer noch nicht. Lehmanns Konsequenz: Der Senat müsse darauf dringen, das In-Kraft-Treten von Hartz IV zu verschieben, um ein arbeitsmarktpolitisches Chaos zu vermeiden. Auch der Fragebogen zur Datenerfassung sei zu kompliziert und datenschutzrechtlich sehr problematisch. Zumindest den bisher 16-seitigen Bogen will die Sozialverwaltung vereinfachen: „Wir prüfen, ob das Formular tatsächlich so umfangreich sein muss.“ RICHARD ROTHER