netzgeschichten
: Die Halbgötter sind faul geworden

Der Sommer ist vorbei, ich werde jetzt meine Symantec-Aktien verkaufen. Die stehen ziemlich gut, nehme ich an, gehen aber bald runter, weil es nur im Sommer Viren gibt. Gefährliche Computerviren, meine ich. Die ungefährlichen gibt es auch im Winter, wie man bei Symantec nachlesen kann, noch besser aber bei www.trojaner-info.de. Das ist deutsche Wertarbeit, auch wenn die Daten dann doch auch von Symantec kommen. Symantec produziert Antivirenprogramme. Das ganze Jahr über, aber das interessiert den Rest der Welt nur im Sommer.

 Lovesan hieß er heuer. Und nun, da die Abende unangenehm kühl werden, muss die nachträgliche Anmerkung erlaubt sein, ohne mit einer Flame-Bombe bestraft zu werden, dass nirgendwo besser, genauer und vollständiger nachzulesen war als bei Microsoft, was es mit dieser Sommerinfektion auf sich hatte. Und was dagegen zu tun sei. Und das, schon Wochen bevor der Fall in die Zeitung kam. Die EDV-Halbgötter, die nicht lesen können, sind dann halt selbst schuld.

 Man kann bei Microsoft überhaupt viel lernen über das, was die EDV-Halbgötter von heute so treiben. Sie sind vor allem faul geworden. Die Panne mit Lovesan kam ja daher, dass Microsoft ihnen ein kleines, nettes Ruhekissen anbietet. Es heißt „Remote Procedure Call“. Das klingt gut und spart Arbeit. Falls ein EDV-Halbgott doch einmal irgendetwas Neues programmieren soll, von dem die Leute etwas haben, die im Büro mit dem Computer tatsächlich arbeiten müssen, braucht er seinen Code gar nicht so zu Ende zu scheiben, dass er überall läuft. Mit Microsfts Hilfe kann er die Büromaschinen stattdessen anweisen, einfach die paar Routinen abzurufen, die er kennt, weil er sie auf seinem Server schon mal zum Laufen gebracht hat. Praktisch, dumm ist nur, dass damit die Hierarchie, die der moderne Chef oben gerade abgeschafft hat, von unten wieder eingeführt wird. Keiner merkt es, weil es keiner versteht, bis es kracht und Symantec zu Hilfe kommen muss.

 Mich stört das nicht, solange ich Symantec-Aktien habe. Leider kann ich all den Leute nicht helfen, die den EDV-Halbgöttern in ihrem Betrieb ausgeliefert sind. Sie sollten sich wehren, nicht gegen Microsoft, sondern gegen die Schlamperei, mit denen sich diese viel zu teuer bezahlten Pfuscher ihre Rente sichern. Man muss sie ja behalten, weil außer ihnen kein Mensch das System versteht, das sie sich zuammmengeschraubt haben.

 Viren im Computer habe ich übrigens noch nie gehabt, obwohl auch ich mit Microsofts Windows arbeite. Es gibt keine Vorschrift von Bill Gates, alles anzuklicken, was man anklicken kann. Inzwischen mag ich Linux trotzdem lieber. In meiner User-Statistik hat es Windows glatt überrundet. Seltsamerweise häufen sich aber gerade jetzt automatische Mails in meinen Briefkästen, die behaupten, dass ich einen Virus versandt hätte, den das empfangende System gelöscht habe. Symantec eben. Nur kenne ich weder die Empfängeradresse, noch habe ich jemals eine Mail dorthin geschickt mit einem Virus, der unter meinem blitzsauberen Linux gar nicht lauffähig wäre. Daraus folgt, dass ganz böse Computerkinder meine Adresse für ihre Streiche benutzen. Das machen die wohl mit Windows, dagegen tun kann man aber rein gar nichts, auch nicht mit Linux, weil das Internet-Mailprotokoll hoffnungslos veraltet ist. NIKLAUS HABLÜTZEL

niklaus@taz.de