Ganztags Kinderwehwehchen

Hamburgs Schulsekretariate sind überlastet und ihre MitarbeiterInnen sind oft krank. Das ergab eine Umfrage des Schulleiterverbands. Die Behörde setzt Asklepios-Rückkehrer ein und verspricht Abhilfe

VON KAIJA KUTTER

Schulleiter Ulrich Mumm vom Gymnasium Allee Altona hat es gerade besonders hart erwischt. Mitten in der Anmeldezeit für die 5. Klassen, als über hundert Elterngespräche zu führen waren, wurden seine beiden Schulsekretärinnen langzeitkrank. Als Ersatz bekam er aber nur eine Aushilfe für 15 Stunden in der Woche. „Ich komme hier nur noch zum Tagesgeschäft“, schimpft Mumm. „Der ganze Tag ist voll mit Kinderwehwehchen“.

Dass seine beiden Sekretärinnen, die zehn Jahre lang die Stellung hielten, plötzlich krank wurden, sei wahrscheinlich kein Zufall. „Es ist nicht auszuschließen, dass die Dauerüberlastung dazu führte.“ Denn seit 2003 sind immer mehr Aufgaben auf die Sekretariate zugekommen. Sie müssen das Büchergeld verwalten, das neue Schülerzentralregister pflegen und neue Verwaltungsaufgaben der selbstverantworteten Schule übernehmen. „Die Aufgaben sind anspruchsvoll“, sagt Mumm. „Das ist nicht mehr die Tippse, die dem Chef Kaffee kocht.“

Nur sei der Job mit 10,85 Euro brutto pro Stunde sehr schlecht bezahlt. „Das bekommen schon meine Schüler, wenn sie bei Toom an der Kasse jobben.“ Dagegen verdienten Sekretärinnen in der Wirtschaft das Zweieinhalbfache. „Deshalb ist es schwer, Ersatz zu finden.“

Mumm, der zugleich im Vorstand des Verbands Hamburger Schulleitungen (VHS) ist, griff zum Telefon und fragte bei Kollegen nach. Ergebnis: 33 von 60 Schulbüros haben ein Problem mit Krankheitsausfällen. An der Schule Iserbarg zum Beispiel hat der Schulleiter ein Dreivierteljahr die Arbeit selber gemacht. Am Gymnasium Rahlstedt half im Januar sogar die Ehefrau des Rektors mit, weil beide Sekretärinnen krank waren.

Für Mumm liegt hier ein strukturelles Problem. Denn in der Behörde erfuhr er, es gebe überhaupt nur 60 Stunden Vertretung für 90 Gymnasien und Gesamtschulen. „Man sagte mir, ich könne froh sein, dass ich die 15 Stunden Hilfe bekommen habe.“ Ein Ende hat der Engpass in seinem Sekretariat erst, wenn nach sechs Wochen Krankheit die Krankenkasse die Gehaltskosten übernimmt.

In der Schulbehörde ist das „Problem erkannt“, wie Sprecher Jan Bruns sagt. Eine Arbeitsgruppe hatte im vorigen Jahr die Lage der rund 1.200 Sekretärinnen, die auf 450 Stellen arbeiten, untersucht. Der SPD-Schulpolitiker Ties Rabe veröffentlichte das Gutachten und nannte einen Bedarf von 100 Stellen, um den Arbeitsanfall zu bewältigen. Ende Oktober kündigte GAL-Schulsenatorin Christa Goetsch daraufhin „Entlastung für die Schulsekretariate“ an. Knapp 800.000 Euro sollen in die Aufstockung der Stellen fließen. Allerdings muss dies erst im Haushalt dargestellt werden und greift deshalb erst ab August 2009.

Als Sofortmaßnahme sollen deshalb 60 Asklepios-Rückkehrer in den Sekretariaten eingesetzt werden. Doch diese müssen erst umgeschult werden, weshalb erst 13 in Schulbüros im Einsatz sind. Weitere 15 können im März eine Schulung beginnen. Außerdem werden 50 ehemalige Krankenhausmitarbeiter zur „Absentismus-Überwachung“ eingesetzt, die indirekt die Sekretariate entlasten, so Bruns.

Um Krankheitsfälle besser abzufedern, werde zudem eine „verbesserte gegenseitige Vertretung“ von Nachbarschulen angestrebt. Und weil auch die Behördenleitung sieht, dass Sekretärinnen in der selbstverantworteten Schule „mehr und anspruchsvollere Aufgaben“ übernehmen, wird laut Bruns auch die Gehaltsfrage „geprüft“. Im Gespräch ist, für mehrere Schulen zum Start der Schulreform 2010 die „Aufstiegsposition“ Büroleitung einzuführen.

Für Ulrich Mumm ist dieser Schritt bitter nötig. „Mit der Schulreform muss die Stellung dieser Frauen angefasst werden.“ Schließlich würden dann auch Lehrer zwischen Schulen pendeln. „Die Kommunikation darüber läuft auch wieder über die Büros.“