„Das Ende des Dumpings ist verbindlich beschlossen“

Für Matthias Berninger, Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium, sind die Verhandlungsergebnisse von Genf ein Fortschritt: „Es geht voran“

taz: Herr Berninger, als Durchbruch für mehr Gerechtigkeit im Welthandel kann man das Ergebnis von Genf nicht bezeichnen, oder?

Matthias Berninger: Bei den WTO-Verhandlungen müssen sich 147 Staaten einigen. Ich habe mir angewöhnt, meine persönliche Ungeduld zu zügeln.

Sie sehen das eher in historischen Zeiträumen?

Es geht voran. Seit dem Beginn dieser Handelsrunde in Doha vor drei Jahren haben wir jetzt durchaus Fortschritte erzielt – ganz besonders im Vergleich zur gescheiterten Konferenz von Cancún 2003.

Die entscheidende Frage in Genf war, wann Europa und die USA aufhören, den Weltmarkt mit Billigprodukten zu überschwemmen. Die Exportsubventionen führen ja dazu, dass Bauern aus der Dritten Welt ihre Waren nicht verkaufen können. An diesem Punkt hat sich nichts bewegt.

Das Gegenteil ist richtig. In der Doha-Erklärung hieß es wachsweich, über Exportsubventionen „in Hinblick auf ein Auslaufen“ sei zu sprechen, in Cancún passierte nichts. Nun wurde das Ende dieses Dumpings verbindlich beschlossen. Das gilt im Übrigen auch für andere Arten der Ausfuhrförderung, wie sie etwa die USA praktizieren. Die Überschussbeseitigung in Form von Katastrophenhilfe und mittels billiger Kredite wird bald nicht mehr möglich sein.

Dank staatlicher Förderung setzen europäische Bauern ihren teuren Zucker billig auf dem Weltmarkt ab. Ein Termin für das Ende dieses Dumpings haben die Verhandler nicht festgelegt. Alles nur schöne Versprechungen?

Fakt ist, dass die Reform der Zuckermarktordnung durch das Ergebnis nun deutlich beschleunigt wird. Beim Zucker wird es schon 2006 oder 2007 keine Subventionen mehr geben.

Nach Einschätzung der Dritte-Welt-Lobby wurde in Genf ein Mechanismus vereinbart, mit dem die reichen Länder ihre Subventionen nicht abbauen müssen, sondern unter anderer Überschrift weiterführen können.

Für den Ursprungstext mag dieser Vorwurf gültig gewesen sein. Im Laufe der Woche haben die EU auf der einen und die Brasilianer auf der anderen Seite besonders dazu beigetragen, dass auch die USA die Unterstützung ihrer Landwirtschaft verändern müssen, etwa bei Baumwolle oder der so genannten Nahrungsmittelhilfe. Da hat auch die Drohung Frankreichs geholfen, anderenfalls die Verhandlungen ganz scheitern zu lassen. Das Welternährungsprogramm muss in Zukunft zuerst in Afrika Getreide kaufen, wenn in Afrika eine Hungersnot droht – nicht in den USA.

Das beschlossene Rahmenabkommen basiert auf einem Entwurf von Europa, USA, Australien, Brasilien, Indien. Was hat diese Kungelei mit einer demokratischen Weltordnung zu tun?

Früher haben sich immer Europa und die USA geeinigt. Nun sind immerhin Indien und Brasilien dabei. Das hat einen deutlichen Vorteil gebracht. Allerdings sind deren Interessen mit denen der Entwicklungsländer nicht immer identisch.

Arme Staaten kommen zu kurz?

Jetzt in Genf sind sie nicht zu kurz gekommen. Zum Beispiel müssen die am wenigsten entwickelten Länder keine Zölle abbauen. Sie können also ihre Heimatmärkte weiterhin schützen. Außerdem wurde ihre Forderung anerkannt, dass die Entwicklungsländer das machen dürfen, was historisch betrachtet für manche Ökonomen als eine Quelle des Wohlstandes der Industriestaaten gilt: bestimmte Produkte mit Zöllen vom Weltmarkt abschotten. Ohne das hätten die Länder des Nordens ihren Wohlstand ja gar nicht erreicht.

INTERVIEW: HANNES KOCH