Welthandel wieder in der Spur

Die blockierten Gespräche in der WTO sind wieder in Gang gekommen. Doch eine endgültige Einigung steht noch aus. Die Details bleiben weiter strittig

VON STEPHAN KOSCH

Sie können ihr Gesicht wahren und ihren Nachfolgern zumindest einen Lösungsansatz präsentieren. Die drei wichtigen Männer des Welthandels – WTO-Generaldirektor Supachai Panitchpakdi, der US-Handelsbeaufragte Robert Zoellick und EU-Handelskommissar Pascal Lamy, die voraussichtlich beim nächsten großen Trffen der Welthandelsorganisation WTO 2005 in Hongkong nicht mehr dabei sind – standen ziemlich unter Druck. Denn mit dem Stillstand der Verhandlungen über eine weitere Liberalisierung des Welthandels konnten sie sich nicht zufrieden geben. Jetzt sind die Gespräche in Genf wieder in Gang gekommen, ein gemeinsames Rahmenabkommen wurde gestern unterzeichnet

Darin werden den Entwicklungsländern auf dem Papier eine Menge Zugeständnisse gemacht. Zwar sollen auch sie generell ihre Subventionen und Schutzzölle senken. Doch an vielen Stellen gelten für sie Sondervereinbarungen oder längere Übergangsfristen. Das Problem ist aber, dass sehr viele problematische Detailfragen weiterhin offen sind. Sie sollen in Einzelverhandlungen geklärt werden.

So zum Beispiel bei den Exportsubventionen für den Agrarbereich. Dass diese Hilfen, mit denen vor allem die reichen Staaten ihre Produkte auf dem Weltmarkt billiger anbieten können, sinken sollen, ist seit langem erklärtes Ziel der WTO. In Genf starteten die Verhandlungen sogar mit der Vorgabe der WTO, alle Exportsubventionen wegfallen zu lassen. Das getroffene Abkommen sieht dies tatsächlich vor und räumt den Entwicklungsländern längere Übergangsfristen ein. Der Zeitpunkt, bis zu dem die Subventionen abgeschafft werden sollen, müsse aber noch vereinbart werden, heißt es.

Auch die Hilfen, die die einzelnen Länder ihren Landwirten bereits für den Anbau und die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse zahlen, will die WTO reduzieren. Sie teilt diese Subventionen in drei Boxen ein. In der „gelben Box“ sind alle als eindeutig handelsverzerrend geltenden Subventionen einsortiert, in der „grünen Box“ die unproblematischen Hilfen. Zudem gibt es noch die „blaue Box“ als Zwischenstufe. Die darin befindlichen Subventionen sollen nun erstmals gedeckelt werden, und zwar auf 5 Prozent des Wertes der gesamten Agrarproduktion eines Landes. Eigentlich also ein Fortschritt.

Gleichzeitig wurden aber die Kriterien für die blaue Box ausgeweitet. Nach Einschätzungen von Kritikern würden nun auch die bislang in der gelben Box angesiedelten milliardenschweren Subventionen, die die USA ihren Baumwollproduzenten zahlt, in diese Kategorie passen. Offenbar soll den USA durch die Verschiebung von Gelb nach Blau eine elegante Lösung im Streit um die Baumwollhilfen ermöglich werden. Diese belasten vor allem die afrikanischen Produzenten.

Außerhalb des Agrarsektors fordern die Industriestaaten von den Entwicklungsländern eine stärkere Öffnung ihrer Märkte für Industrieprodukte und Dienstleistungen. Hier sollen insgesamt die Zölle sinken: Je höher sie sind, desto stärker soll die Kappung sein. Dies würde vor allem die Entwicklungsländer treffen, denn sie schützen ihre Märkte mit sehr hohen Importzöllen. Doch scheint die WTO in diesem Punkt noch relativ weit weg zu sein von einer echten Einigung. Denn in der Vereinbarung wird betont, dass weitere Verhandlungen notwendig sind, um ein Abkommen zu erzielen.

Deutsche Regierungsvertreter bewerteten die Vereinbarung trotz offener Detailfragen positiv. Bundeswirtschaftsminister Clement sieht einen Erfolg der laufenden Doha-Runde jetzt wieder in greifbare Nähe gerückt. Als „gutes Signal für die Entwicklungsländer“ bewertete Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul das Rahmenabkommen. Sie hoffe jetzt auf rasche Fortschritte.

Die Nichtregierungsorganisationen sind da kritischer. „Die Architektur des Abkommens kommt vor allem den USA und Europa entgegen“, sagte Pia Eberhard, WTO-Expertin bei Attac, zur taz. Nach Einschätzung von Peter Fuchs von der globalisierungskritischen Organisation WEED hat „der Norden den Süden erneut über den Tisch gezogen“. Dies sei Folge eines „intransparenten Geschachers der letzten Tage“ und der Druckmechanismen, durch die Abweichler auf Linie gebracht wurden. Greenpeace resümierte: „Das Genf-Abkommen dient der WTO nur dazu, das Gesicht zu wahren, und wird wohl in einen Freihandel münden, der zu Lasten von Mensch und Umwelt geht.“