Böser gelber Riese

Zwei Postagenturnehmer aus Hemer und Dortmund kämpfen gegen ihre Kündigung. Sie hatten Sicherheitslücken im Computersystem veröffentlicht

„Mit drei Mausklicks ließen sich 200 Postagenturen durchleuchten“

VON KLAUS JANSEN

Für Rolf Schönenberg und Herbert Millmann ist der Fall klar: „Die Post wollte ein Exempel statuieren. So einfach.“ Grund für die Wut auf den gelben Riesen: Den beiden NRW-Vorsitzenden des Postagenturnehmerverbands Deutschland (PAGD) wurden ihre Agenturverträge fristlos gekündigt, weil sie eine Sicherheitslücke im postinternen Abrechnungssystem öffentlich gemacht hatten.

„Mit drei Mausklicks konnte jeder Schalterbeamte 200 Postagenturen durchleuchten, inklusive der Bilanzen und den Terminen für die Geldtransporte. Das war eine Einladung für Überfälle, denn schwarze Schafe gibt es doch immer“, sagt Rolf Schöneberg. Für den Postagenturnehmer aus Hemer ein „Datenskandal“, den er gemeinsam mit seinem Dortmunder Kollegen Millmann im November des vergangenen Jahres einem Fernsehsender offenbarte. Die Post behob zwar die Fehlerquelle, zeigte sich ansonsten aber gar nicht begeistert über die öffentliche Kritik: Sie kündigte den Agenturnehmern fristlos – wegen Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht und unternehmensschädigenden Verhaltens. Schönenberg und Millmann sprechen von einer „politischen“ Aktion. Sie wollen auf Schadensersatz klagen.

Das Verhältnis zwischen der Post und dem PAGD ist ohnehin schlecht. Vielen Mitgliedern der Landesvorstände wurden Agenturverträge bereits gekündigt, die Kommunikation findet meist vor Gericht statt. So wirft der PAGD der Post Fehler im Buchungssystem vor, die zu regelmäßigen Fehlbeträgen in den Agenturen geführt hätten, die zu Lasten der Agenturbetreiber gingen. Zudem wettert der Verband auch gegen die seiner Meinung nach unfairen Agenturverträge für die mittlerweile 7.000 Postagenturen in Deutschland. Konnte man bis vor Kurzem als Bäcker, Lebensmittelhändler oder Kioskbesitzer mit dem Briefgeschäft noch gutes Geld verdienen, so sprechen die Agenturnehmer mittlerweile von „Knebelverträgen“, da Verdienst und Kündigungsschutz im Zuge des verstärkten Wettbewerbs massiv eingeschränkt worden seien. Diese Einschätzung teilt auch Harald Wolf von der Gewerkschaft Verdi. Angesichts steigender Arbeitslosigkeit seien immer mehr Menschen bereit, eine Agentur auch zu schlechteren Konditionen zu übernehmen, sagt er: „Die Post nutzt ihre Machtstellung aus. So ist halt der Kapitalismus.“

Für die Post hingegen hat sich das System bewährt: Erst in der vergangenen Woche kündigte das Unternehmen an, mehrere hundert weitere „Kleinstfilialen“ auszugliedern. Die Kritik des PAGD nimmt man am Bonner Firmensitz gelassen auf: Der Verband repräsentiere nicht die Mehrheit der Agenturnehmer, heißt es dort. Den Vorwurf, dass man Verbandsmitgliedern aus politischen Motiven gekündigt habe, weist Post-Sprecher Jürgen Blohm zurück: „Das ist absoluter Käse“, sagt er.

Rolf Schönenberg und Herbert Millmann sehen das anders. Er habe dem Unternehmen Post niemals schädigen wollen, beteuert Millmann. Da die Post den Verband jedoch nicht anerkenne, sei es aber kaum möglich gewesen, die Missstände im Abrechnungssystem intern anzusprechen. „Uns blieb nur der Weg über die Öffentlichkeit.“ Schönenberg und Millmann sind enttäuscht, zumal mittlerweile auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz die Kritik der Agenturnehmer für inhaltlich berechtigt erklärt hat. „Eigentlich müsste die Post doch nur sagen: ‚Sorry, wir haben einen Fehler gemacht‘“, findet Schönenberg.