Wer macht sich schon die Plag‘ und revoluzzt den ganzen Tag?

Das Uelzener Hundertwasser-Musical erzählt die Lebensgeschichte von Friedensreich Hundertwasser als Stationendrama und schrammt nur knapp an einem Fiasko vorbei

Früher jettete man nach London oder New York um ein Musical erleben zu können. Dann reichte es, nach Wien oder Hamburg zu reisen. Jetzt kann man im Provinzstädtchen Uelzen ein neues Musical erleben, das bundesweit als Attraktion beworben wird. Schließlich hat kein Geringerer als Konstantin Wecker die Musik komponiert, auch wenn es bei der Besetzung nach der Absage von Ilja Richter einige Komplikationen gab.

Librettist Rolf Rettberg hat sich ein Stationendrama ausgedacht, das an die bewegte Lebensgeschichte des Künstlers anknüpft. Prolog und Epilog spielen in Neuseeland kurz vor Friedensreich Hundertwassers Tod. Hundertwasser lässt zunächst in Rückblenden sein Leben in 14 Stationen Revue passieren und sinniert am Ende darüber, was ihn nun erwarten möge. Rettberg hat keine kitschige Liebesgeschichte geschrieben, vermeidet jegliche banale Musicalhandlung. Stattdessen ist das Stück ein bunter Bilderbogen über Hundertwasser, seine Kunst und deren Vermarktung: ein Stück über seine Visionen, aber auch über seine ans Tragische grenzende, menschlich zum Scheitern verurteilte Selbstsucht.

Die Grundidee ist nicht schlecht, die sprachliche und vor allem die szenische Umsetzung jedoch geriet phasenweise zu einem Fiasko. Und Weckers Musik? Die lag irgendwo dazwischen: nicht genial, aber besser als andere, immerhin weit bekanntere Musicals.

Wecker hat sich für seine Kompositionen hemmungslos aus dem Fundus der Musikgeschichte bedient. Mal wird Mozart zitiert, mal Ravels Bolero-Rhythmus, verzerrte Walzerseligkeit geht Hand in Hand mit ruhigen, meditativen Momenten. Manchmal wirkt das zwingend, manchmal als Ausflucht, als ob dem Komponisten nichts mehr eingefallen wäre. Trotzdem: Weckers Musik hat einen eigenen Ton und kann gelegentlich sogar überdecken, was auf der Bühne an diesem Abend zu oft zu erleben ist.

Die szenische Umsetzung der Dialoge strotzt nur so vor Plattitüden, dabei sind diese Dialoge manchmal nicht ohne Ironie. Manchmal schwingen sie sich sogar zu nestroyesk anmutenden Sentenzen auf wie: „Wer macht sich schon die Plag’ und revoluzzt den ganzen Tag.“ Da hätte man musikalisch ein provokantes Couplet draus entwickeln können. Das geschieht aber nicht. Und auch Regisseur Gerhard Weber ignoriert solche Textpassagen vollkommen und überspielt sie einfach.

Wie Weber seine Sängerschauspieler einsetzte (von denen ausgerechnet der anstelle von Ilja Richter engagierte Achim Conrad als Hundertwasser am wenigsten überzeugte), ließ an seiner Eignung für Inszenierungen dieser Art größte Zweifel aufkommen. Wäre da nicht die fulminante Bühnenpräsenz Angelika Wedekinds als Wiener Stadträtin und Ansgar Schäfers facettenreicher Bro gewesen, der Abend wäre ein szenisches Fiasko geworden.

Auch die Bühne Tina Kitzings, eine einzige große Spirale in typischer Hundertwasser-Art mit einem in einigen Szenen präsenten Segelschiff, war bestenfalls nett anzusehen. Als Ganzes jedoch wirkten Bühne und kunterbunte Kostüme, als ob man gerade in einem billigen Weihnachtsmärchen sitzen würde.

Sowohl Konstantin Weckers Musik als auch Friedensreich Hundertwasser, so schwierig er als Mensch auch gewesen sein mag, hätten eine bessere Aufführung verdient. Reinald Hanke

Aufführungen bis Ende Oktober jeweils von Donnerstag bis Freitag, weitere Aufführungen ab Juli 2005 geplant. Kartenbestellungen: ☎ 0581-800-441, Infos: www.hundertwassermusical.de