Fidschi? „Ein ganz normales Wort“

Drei Neonazis überfallen einen Imbissbetreiber. Der eine schlägt dem Vietnamesen mit einem Kantholz ins Gesicht. Zwei kommen mit milder Strafe davon, weil sie noch nicht volljährig sind. Der 21-jährige Dennis E. wartet aufs Urteil

Mit Altersweisheit hat das bei Dennis E. ganz sicher nichts zu tun. Wahrscheinlicher ist, dass ihn das drohende höhere Strafmaß dazu veranlasste, am Ende seiner Vernehmung vor der Richterin ein leises „Es tut mir leid“ über die Lippen zu bringen. Denn anders als die beiden 17-jährigen Mitangeklagten ist Dennis E. schon 21 und fällt damit als „Heranwachsender“ nicht mehr unter das Jugendstrafrecht.

Drei Monate musste er bereits in Untersuchungshaft sitzen, während der eigentliche Schläger nach nur zwei Wochen frei kam. Der dritte im Bunde durfte gar nach nur einem Tag wieder raus. Gestern musste sich das Trio wegen Sachbeschädigung und schwerer Misshandlung vor Gericht verantworten. Und wieder darf Dennis mit einer höheren Strafe rechnen. Es wird ihm nur wenig nützen, dass er seit einer Woche Vater ist. Denn dass er Nachwuchs bekommt, wusste er schon am 5. April. Zu dem Zeitpunkt sei ihm nicht klar gewesen, was er da macht, sagt er im Nachhinein. Und die Bezeichnung „Fidschi“ für Vietnamesen – das sei für ihn ein „ganz normales Wort“. Neger, das sei ein Schimpfwort. „Aber Fidschi?“

Deswegen will er das Geschehen am frühen Abend des besagten Tages auch nicht als ausländerfeindlichen Angriff bezeichnen. Zusammen mit den beiden Minderjährigen brach er von seiner Wohnung in Köpenick zur nahe gelegenen Imbissbude eines Vietnamesen auf. Er selbst trug Brechstange und Hassmaske, einer der 17-Jährigen ein Kantholz. Dennis hat dabei zugesehen, wie dieser zunächst an die Tür des Imbisses klopfte und ihm dann zwei oder drei Mal mit dem Kantholz wuchtig ins Gesicht schlug, während der Dritte ein paar Meter weiter Schmiere stand. Der zur Tatzeit 40-jährige Vietnamese erlitt einen Jochbeinbruch und musste mit blutender Kopfwunde im Krankenhaus behandelt werden. Noch heute durchzieht eine tiefe Narbe seine linke Gesichtshälfte.

Er, Dennis, habe einfach die Wut seines jüngeren Kameraden geteilt. Der hatte kurz zuvor dem vietnamesischen Imbissbetreiber verübelt, dass er die Rechnung für einen Kasten Bier nicht „anschreiben“ wollte. Weder sei ihm, Dennis, aufgefallen, dass sein Kumpel den Imbissbesitzer bei dieser Gelegenheit mit „Scheißreisfresser“ beschimpft hatte, noch dass er gegen die Tür des Imbissstandes trat. Aber dass der Vietnamese ihn mit einem Messer bedroht haben soll – das habe er schon gesehen. Das vermeintlich silbern blitzende Messer war nach Aussagen des Opfers eine Rolle mit Alufolie.

Als unpolitisch versteht sich Dennis. Er, der das letzte Mal vor zwei Jahren auf einer 1.-Mai-Demonstration der NPD mitgelaufen ist – „wegen der Ausschreitungen“. Und in jüngerer Zeit höchstens mal auf einem Trauermarsch ein Banner mit der Aufschrift „Frei, sozial, national“ getragen hat. Flugblätter, ja, die habe er verteilt. Aber organisiert in einer Kameradschaft? Sei er nie gewesen. Höchstens im Umfeld. Und dann werde nur getrunken. Inzwischen habe er ein Antigewaltseminar besucht. Und er sei nicht mehr dafür, dass alle Ausländer raus müssten. Das ginge ja gar nicht. Er finde nur, dass „Bürger mit deutschem Personalausweis nicht gleich deutsche Bürger“ seien.

Sein Alter gönnt ihm nach dem Prozessauftakt noch eine Woche Schonzeit. Nach vierstündiger Befragung der drei Angeklagten und nicht ganz einem Dutzend Zeugen trennte die Richterin Dennis’ Verfahren von denen der anderen ab. Eine nicht ganz unumstrittene Entscheidung. Der Prozess wurde nicht nur ohne Dennis weiter geführt, sondern auch ohne den Vietnamesen als Hauptzeugen und Nebenkläger. Denn Nebenklagen sind bei Jugendstrafverfahren nicht zulässig.

Der 17-jährige Schläger wurde noch am selben Tag zu zwei Jahren Haft mit Bewährung verurteilt. Der gleichaltrige Angeklagte muss wegen Beihilfe 90 Stunden Freizeitarbeit leisten. Der Erlös soll dem Opfer zu Gute kommen soll. Dennis’ Prozess wird am nächsten Montag fortgesetzt.

FELIX LEE