Bundeswehrteam nur Notlösung

Bewaffnete Wiederaufbauteams in Afghanistan, an denen sich jetzt auch die Bundeswehr beteiligen soll, werden von den meisten Hilfsorganisationen abgelehnt. Sie fordern wie die UNO vergeblich die Ausweitung der Internationalen Schutztruppe

aus Berlin SVEN HANSEN

Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) bezeichnete die geplante Entsendung eines so genannten Wiederaufbauteams der Bundeswehr in die nordafghanische Stadt Kundus gestern „als wichtigen Beitrag zur Stabilisierung Afghanistans“. Durch die von Berlin angestrebte Erweiterung des Mandats der Afghanistan-Schutztruppe (Isaf) werde deutlich, dass die Regierung den Wiederaufbau als „klare zivile Aufgabe“ begreift. Soldaten als Kraft des zivilen Wiederaufbaus?

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) kritisierte denn auch gestern den geplanten Bundeswehreinsatz in Kundus. Dieser „bringt Afghanistan keine Sicherheit, sondern stützt nur die Macht der Warlords“, erklärte GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. „Solange die lokalen Kriegsfürsten nicht entwaffnet werden, wird mit der Stationierung von Bundeswehrsoldaten allenfalls der Anschein von Sicherheit geweckt.“ Für die GfbV kann nur ein neues UN-Mandat, das den Isaf-Einsatz im ganzen Land ermöglicht, die notwendige Sicherheit schaffen.

Das fordern auch die afghanische Regierung, die UNO und Hilfsorganisationen seit Monaten. Doch keines der 20 Länder, die an der auf Kabul beschränkten Isaf beteiligt sind, ist bereit, diese von derzeit 4.800 auf mindestens 30.000 Soldaten aufzustocken und aufs ganze Land auszudehnen. Und bisher waren selbst die in Afghanistan im Rahmen des Antiterrorkriegs operierenden knapp 10.000 US-Soldaten nicht bereit, Warlords zu entwaffnen. Vielmehr rekrutierten die US-Truppen immer wieder andere Kämpfer als Hilfstruppen und stärkten so die Macht der Warlords. Afghanistans Armee ist noch zu schwach, um die Warlords in die Schranken zu weisen.

Da sich bereits seit Sommer 2002 die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechterte, entwarfen US-Militärs im Herbst das Konzept militärischer Wiederaufbauteams. Um einen Kern von Spezialtruppen gruppieren sich bewaffnete Pioniere sowie zivile Ingenieure und Experten. Da diese Teams von um die einhundert Personen militärisch kaum durchsetzungsfähig sind, setzen sie vor allem auf symbolische Politik und Psychologie. Sie sollen die Präsenz der internationalen Gemeinschaft in den Provinzen demonstrieren, wo im Unterschied zur Hauptstadt weniger Hilfe ankam. Davon erhofft man sich eine Stärkung des Einflusses der Zentralregierung.

Laut Wieczorek-Zeul soll das deutsche Wiederaufbauteam bei der Entwicklung des ländlichen Raums, dem Aufbau von Elektrizitäts- und Wasserversorgung und dem Ausbau von Straßen Hilfe leisten. Zudem sollten Projekte im Bildungs- und Gesundheitswesen unterstützt werden.

Bisher unterscheiden sich die eingesetzten Teams entsprechend der Philosophie der Entsenderländer und den Gefahren des Einsatzorts. So operiert das im ostafghanischen Gardes, einem Unruhegebiet, eingesetzte US-Team nach Meinung eines Beobachters in Form eines Wehrdorfs. Im deutschen Team in Kundus dürfte die zivile Komponente dagegen stärker sein.

Bereits im Februar lehnten 70 in Afghanistan tätige Nichtregierungsorganisationen (NGOs) den Einsatz bewaffneter Wiederaufbauteams ab. Die Soldaten sollten sich lieber auf ihre militärischen Aufgaben konzentrieren und nicht zivile Jobs übernehmen, die NGOs preiswerter und effizienter erledigen könnten. Die NGOs kritisierten die Vermischung ziviler und militärischer Arbeit. Dies verletze die Neutralität der NGOs und gefährde ihre Mitarbeiter. Delius von der GfbV warf denn gestern auch der Bundesregierung vor, mit „erstaunlicher Ignoranz“ über die Kritik namhafter deutscher Hilfsorganisationen hinwegzugehen. Die Entsendung des Bundeswehrteams nach Kundus sei „blinder Aktionismus“.