Mit dem Hausarzt zur „Gezondheid“

von KATHARINA KORELL

„Bei uns geht man nicht gleich bei jedem kleinen Schnupfen zum Arzt“, erklärt Suzanne van Leeuwen. Die BWL-Studentin aus Utrecht kennt das holländische Gesundheitssystem nämlich sehr genau. Sie weiß, dass der Arztbesuch häufig Wartezeiten bedeutet. Vor einem Jahr bekam sie diese Schwäche am eigenen Leib zu spüren: „Obwohl ich mein Knie beim Ballett so verletzt hatte, dass ich nur noch auf allen vieren kriechen konnte, sollte ich erst Monate später einen Termin für die Krankengymnastik bekommen“, erzählt die 23-Jährige. Sie wollte ihr Los nicht hinnehmen und tat, was viele Holländer seit Jahren tun: Suzanne packte ihre Koffer und fuhr über die Grenze ins benachbarte Belgien. Dort wurde sie sofort behandelt.

Die chronische Suche nach Ärzten hat einen einfachen Grund: den Mangel an Spezialisten. In Holland muss der Patient zunächst in jedem Fall den Hausarzt aufsuchen. Der überweist dann weiter an den Facharzt. Mit diesem „Hausarztsystem“ sollen Patienten gelenkt und damit teure Mehrfachuntersuchungen vermieden werden. Dementsprechend ist der Pflichtbeitrag der gesetzlichen Krankenkassen gering. Bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 30.700 Euro muss der Holländer den Grundbetrag von 34,72 Euro monatlich entrichten. Abgedeckt ist damit die Basisversorgung. Alles, was darüber hinausgeht – beispielsweise Zahnersatz und Füllungen –, wird nicht bezahlt.

Knapp 36 Prozent der Bürger im Reich von Königin Beatrix zahlen deshalb zusätzlich noch in private Versicherungen ein. Dann hat man auch das Privileg, sich den Arzt selbst auszuwählen. Denn der Kassenpatient muss – ob er will oder nicht – zu einem der an die rund 40 staatlichen Krankenkassen vertraglich gebundenen Ärzte. Der Besuch bei einem anderen Arzt geht nur gegen Cash.

Bei dringenden Fällen hilft inzwischen der Ausflug ins World Wide Web. Auf der Homepage der Niederländischen Zahnarztkammer (NMT) findet man vielleicht einen der heiß begehrten freien Termine bei einem ihrer 7.300 Ärzte. „Die Sorge um die eigene Gesundheit ist unproportional zu der Zahl der ausgebildeten Ärzte gestiegen“, meint NMT-Sprecherin Kyra Van der Mevlen.

Die Zahnarztkammer bewertet diese Tendenz als positiv und regt sich deshalb über das eigene Gesundheitsministerium auf. Erst vor fünf Monaten nahm der Gesundheitsminister Hans Hoogervorst die kostenlose Untersuchung der Zähne durch Röntgenaufnahmen aus dem Paket der Basisversorgung für Pflichtversicherte heraus. „Aber gerade die Kontrolle vermeidet später schwere und teure Eingriffe“, sagt Van der Mevlen.

Suzanne will Holland und dem Gesundheitssystem im September den Rücken kehren und in den USA anfangen zu arbeiten. Dann wird eine neue Versicherung fällig. Und die wird mit Sicherheit privat sein.