Erst lernen, dann ärgern

Wirtschaftssenator Wolf (PDS) mahnt Unternehmen, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen. Das Land selbst bildet weiter aus – jedoch ohne garantierte Übernahme. Lehrstellenrückgang bei Kliniken

von ROBIN ALEXANDER

Der Herr Senator übte sich in der Pose eines Bittstellers. Kein Unternehmsbesuch von Harald Wolf (PDS) kam in den vergangenen Monaten ohne die Frage nach den Ausbildungsplätzen aus: Können Sie nicht noch ein paar zusätzliche Lehrstellen schaffen? Am Ende hat es trotz aller Bitten nicht gereicht: Ende Juni waren 12.672 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz bei den Arbeitsämter gemeldet. Wie viel es zu Beginn des Lehrjahres, am 1. September, sein werden, ist noch nicht klar.

Nicht um jede Lehrstelle müssen Politiker betteln. Die Verwaltung bildet auch selbst aus. 301 Lehrlinge werden am Montag ihre Ausbildung in den Bezirken beginnen, 72 in den Senatsverwaltungen und 111 an den Berliner Universitäten. Die Mittel dafür werden im Haushaltstopf Ausbildungsmittel für das Jahr 2003 bereitgehalten. Im Doppelhaushalt 2004/05, der gerade vom Abgeordnetenhaus beraten wird, sind pro Jahr nur noch 170 Millionen vorgesehen.

„Das heißt aber nicht, dass es weniger Lehrstellen geben wird“, erklärt ein Sprecher der Finanzverwaltung. Die geplante Einsparung resultiere vielmehr aus der Streichung von Bezügen für Beamtenanwärter im Rahmen des Solidarpaktes. Die Ausbildung in Landesregie sei auch vom Stellenstopp im öffentlichen Dienst nicht tangiert worden. Der Ärger kommt erst nach der Ausbildung: Referendare an Schulen und Polizeischüler wurden nicht übernommen. Dies kann auch in Zukunft jedem städtischen Azubi passieren.

Es gibt jedoch auch gezielten Abbau von Lehrstellen. „Für Stellen, die nicht mehr gebraucht werden, bilden wir auch niemanden mehr aus“, erklärt Susanne Ahlers, die zuständige Staatssekretärin in der Wirtschaftsverwaltung. Ihre Verwaltung strich vier Ausbildungsplätze zum Landeseichamtsinspektor.

Interessant ist ein Blick auf die Betriebe, die nicht zur Stadt gehören, die das Land aber mehrheitlich oder ganz besitzt. Die Anteile an der Berliner Stadtreinigung (BSR), die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die Wasserbetriebe und die Berliner Hafen- und Lagerhausbetriebe (Behala) werden von Harald Wolfs Wirtschaftsressort verwaltet.

„In diesen Betrieben ist die Ausbilungsquote sogar leicht gestiegen“, erklärt Staatssekretärin Ahlers. Dieser Indikator, der Ausbildungsplätze ins Verhältnis zu Arbeitsplätzen setzt, schaffe aber einen irrigen Eindruck, gibt Ahlers zu: „Dies ist vor allem den Abbau von Arbeitsplätzen geschuldet.“ Anders gesagt: Es wurden prozentual weniger Lehrstellen als Jobs gestrichen. Konkret waren im vergangenen Jahr 469 Azubis bei der BVG, nur einer weniger als 1999, obwohl das Nahverkehrsunternehmen damals noch 2.000 Angestellte mehr beschäftigte. Die BSR bildete 2002 202 Lehrlinge aus, die Wasserbetriebe 364 und die Behala 14.

Ausbildungsplatzabbau in großem Stil gab es in den vergangen Jahren in der Bankgesellschaft und jüngst beim landeseigenen Krankenhauskonzern Vivantes. Wo einst 1.200 junge Leute ins Berufleben einstiegen, soll es bald nur noch 450 Azubis geben.

Als Eigentümer könnte das Land ein größeres Angebot an Ausbilungsplätzen anordnen. Aber das ist nicht gewollt. Auch in den Aufsichtsräten soll nicht darauf hingewirkt werden. Denn bei den landeseigenen Betrieben gilt für den Senat das Gleiche wie in der freien Wirtschaft, so Staatssekretärin Ahlers: „Wir setzen auf Appelle.“