belle de jour
: PERDITA FELICIEN wächst über sich hinaus

Sturmlauf über die zehn Hürden

Kurz nach dem Zieleinlauf konnte es Perdita Felicien zunächst nicht glauben. Der wiederholte Blick auf die Anzeigetafel brachte dann die erlösende Gewissheit: In der beachtlichen Zeit von 12,53 Sekunden hatte sich die erst 22-jährige Kanadierin die Goldmedaille über 100 m Hürden erobert. Ein Sieg, mit dem in der Leichtathletik-Szene keiner gerechnet hatte. Mit ihrem fulminanten Sturmlauf über die zehn Hürden überrumpelte die Kanadierin auch Brigitte Foster aus Jamaika, die nach dem Ausscheiden von Titelverteidigerin Anjanette Kirkland und Altmeisterin Gail Devers in den Vorläufen die absolute Favoritin gewesen war. Die neue Weltmeisterin ist nicht gerade der Prototyp einer Hürdenläuferin. Mit einer Größe von nur 1,63 m ist die aus Ontario stammende Perdita Felicien nicht dazu geboren, so schnell wie möglich Hindernisse von 84 cm Höhe zu überwinden. Bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney und der WM 2001 in Edmonton schied sie auch jeweils in den Vorläufen aus. Mit dem Sieg in Paris hat Perdita Felicien, die an der Universität von Illinois Kinesiologie studiert, nicht nur alle anthropometrischen Richtlinien außer Kraft gesetzt, sondern auch die Hierarchien im Hürdensprint durcheinander gewirbelt. Entsprechend ihre Reaktion: „Das sind große Hosen, die ich von nun an tragen muss.“ KATHARINA SCHNURR