Eine Demonstration der Scham

Einstimmig verabschiedet das serbische Parlament eine Resolution über das Kosovo. Danach ist die Provinz ein untrennbarer Bestandteil Serbiens. Ob diese Geste die Gemüter beruhigt, ist fraglich. Denn Belgrad hat dort ohnehin nichts mehr zu sagen

aus Belgrad ANDREJ IVANJI

So friedlich, kooperativ und solidarisch waren die Abgeordneten im serbischen Parlament schon lange nicht mehr: Einstimmig verabschiedeten sie am Mittwoch die „Deklaration über den Kosovo“. Diese definiert die zu über 90 Prozent von Albanern bewohnte, von der UNO verwaltete und der internationalen Friedenstruppe KFOR kontrollierte Provinz, als einen „untrennbaren“ Bestandteil Serbiens. Die Deklaration beruht auf der UN-Resolution 1244 über den Kosovo, die die Rückkehr von rund 200.000 serbischen Flüchtlingen, den Aufbau einer multiethnischen Gesellschaft und die Autonomie der Provinz im Rahmen der Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro, des Nachfolgestaats von Jugoslawien, vorsieht.

Die prowestliche serbische Regierung achtete darauf, daß die Deklaration im Einklang mit allen internationalen Verpflichtungen Serbiens bleibt und eine Konfrontation sowohl mit der internationalen Gemeinschaft, als auch mit der albanischen Regierung von Kosovo vermeidet. Die nationalistische Opposition im Parlament kritisierte den relativ milden Ton der Deklaration, gab aber schließlich im Namen der „nationalen Interessen“ und der „erforderlichen Einigkeit“ nach.

So besteht die Deklaration nicht auf die baldige Rückkehr der serbischen Streitkräfte, obwohl das im Sinne der UN-Resolution 1244 wäre. Allerdings schließt Belgrad Verhandlungen über den Status der Provinz aus, solange der „multiethnische Standard“ im Kosovo und die Sicherheit der serbischen Bevölkerung nicht garantiert werden. Außerdem wird in der Deklaration von der KFOR gefordert, rund „700.000 illegale Waffen“ zu beschlagnahmen und Mitglieder von albanischen „paramilitärischen“ Einheiten festzunehmen.

Die Kosovo-Deklaration ist ein Appell an den UNO-Sicherheitsrat, die „katastrophale Lage“ der „gepeinigten“ serbischen Bevölkerung im Kosovo endlich zur Kenntnis zu nehmen. Vor allem aber soll die Deklaration nach allein in diesem Sommer verübten dutzenden Anschlägen albanischer Extremisten auf serbische Zivilisten die erhitzten Gemüter in Serbien beruhigen. Besonders nachdem albanische Extremisten zwei serbische Kinder, die mit anderen Jugendlichen in einem Fluss badeten, aus dem Hinterhalt erschossen hatten.

Viel mehr als eine Deklaration zu verabschieden, kann die serbische Regierung derzeit gar nicht für die serbische Bevölkerung im Kosovo tun. Nach dem Einzug der Nato-Truppen in den Kosovo im Juni 1999, und dem Rückzug der jugoslawischen Streitkräfte hat Belgrad im Kosovo nichts mehr zu sagen und ist auf die Zusammenarbeit mit der UNO angewiesen. Man habe sich im Parlament vor „lauter Scham wegen der eigenen Machtlosigkeit versammelt“, sagte einer der Abgeordneten während der Debatte über die Deklaration.

Tonangebend war die Bereitschaft aller Abgeordneten, „Einigkeit“ und „Entschlossenheit“ vor der internationalen Gemeinschaft zu demonstrieren, damit die „Wiege des Serbentums“, die „heilige Erde“ von Kosovo nicht endgültig von dem Mutterland getrennt wird.

meinung und diskussion SEITE 12