Russland baut dem Iran neue AKWs

Trotz Befürchtungen, der Iran entwickle nukleare Waffen, hält Moskau an Iran-Plänen fest. Iran sichert Zusammenarbeit mit Internationaler Atomenergiebehörde zu. Abkommen über Rücktransport von Brennstoff nach Russland unterzeichnet

von BARBARA KERNECK

Im Streit über sein Atomprogramm ist Iran nach den Worten von Außenminister Kamal Charrasi zur „vollen“ Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) bereit. Iran wolle beweisen, dass sein „Programm sicher, friedlich und nicht auf die Herstellung von Atomwaffen ausgerichtet ist“, sagte Charrasi gestern. Laut einem vertraulichen UN-Bericht hatten IAEA-Kontrolleure unter anderem in Natans hochangereichertes Nuklearmaterial gefunden, das nicht für zivile Zwecke benötigt werde.

Das russische Atomministerium sieht auch nach diesem Fund keinen Grund zur Einstellung der bilateralen Nuklearzusammenarbeit. Die Tatsache rufe zwar Besorgnis hervor, aber es handele sich nur um Spuren, erklärte das Ministerium gestern in Moskau. „Iran erklärt den Fund damit, dass die Teilchen beim Import der Anlage eingeschleppt wurden.“

Bereits am Dienstag hatte ein Sprecher des Moskauer Atomministeriums die Absicht verkündet, „wahrscheinlich schon Ende September“ ein Abkommen über den obligatorischen Rücktransport des von Russland gelieferten und im iranischen Atomkraftwerk Buschehr verbrauchten nuklearen Brennstoffes zu unterzeichnen. Der Reaktor wurde kürzlich fertig gestellt. Die Verschiffung der ersten Brennstäbe könnte Ende dieses Jahres erfolgen. Unmittelbar nach Vollendung des ersten Reaktors will Russland den Bau eines zweiten in Angriff nehmen, und zwar des gleichen Typs, auf dem gleichen Gelände und zum gleichen Preis von 800 Millionen Dollar. Insgesamt plant Moskau noch fünf weitere Reaktoren im Iran.

Diese Erklärung setzt sich kühn über sämtliche Befürchtungen der USA hinweg. In deren Auge ist schon der erste, ein 100-Megawatt-Leichtwasser-Reaktor gefährlich. Denn gerade in ihm erblicken US-Wissenschaftler die Basis für einen Aufstieg des Iran zur Atommacht. Anlagen zur Gewinnung von waffenfähigem Plutonium aus verbrauchten Uranbrennstäben sind ihrer Meinung nach auf dem grauen Weltmarkt relativ leicht zu erwerben.

Nie hat der Iran plausibel machen können, wozu, wenn nicht zur Waffenproduktion, er überhaupt Reaktoren braucht. Nichts benötigt das erdölreiche Land weniger zur Stromgewinnung. Offener legt Russland seine Gründe dar: AKW-Bau als willkommene Einkommensquelle und Beschäftigungstherapie für russische Atomexperten. Etwa 2000 von ihnen lebten Ende vergangenen Jahres mit ihren Familien bei Buschehr in einer eigenen Siedlung. Doch die Partnerschaft Moskaus mit Teheran hat auch strategische Gründe. Dank ihrer hofft der Kreml die Mullahs von einer Parteinahme für ihre Glaubensbrüder im Tschetschenienkrieg abzuhalten. Last not least bietet die eigene Atomindustrie Russland fast die einzige Möglichkeit, gegenüber Ländern der Dritten Welt als überlegener Lieferant hochmoderner Technologien aufzutreten.

Moskau hat dem Iran auf seinem Wege zur Atommacht geholfen. Aber alles deutet darauf hin, dass sich Teheran dem Ziel eigener Atomwaffen auf mehreren Wegen nähert. So erklärte Ministerpräsident Chatami im Februar, dass sein Land selbst mit der Uranförderung begonnen habe. Gleichzeitig wolle man – allerdings unter IAEA-Aufsicht – bei Isfahan eine Fabrik in Betrieb nehmen, um Hexafluorid zu produzieren. Dieser Stoff wird zwecks Urananreicherung in Gasform auf Zentrifugen geleitet, wie sie die Atomaufsichtsbehörde nun in Natans untersuchte. Dort stehen jetzt etwa 1.000 davon, genug für die Produktion einer einzigen Atombombe. Einige solcher Zentrifugen wurden noch zu Sowjetzeiten an den Iran geliefert. Die schwer befestigte Anlage von Natans wurde erst vor zwei Jahren dank Satellitenfotos entdeckt. Gebaut haben will sie niemand, am wenigsten die Russen.

So oder so: Die jüngst bekräftigten Bauvorhaben des russischen Atomministeriums im Iran stehen in krassem Widerspruch zu Präsident Putins Wunschprofil als Hauptpartner im westlichen Kampf gegen den Terrorismus. Sie beweisen die Stärke der Atomlobby in Russland und wie dicht sie mit der iranischen Lobby verfilzt ist.